Frage an Sylvia Pantel von Stephan M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Pantel,
aktuell wird die Wiedereinführung der sogenannten Vorratsdatenspeicherung (diesmal unter dem Namen "Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten") vorbereitet.
Der kürzlich öffentlich gewordene Entwurf ( https://netzpolitik.org/wp-upload/2015-05-15_BMJV-Referentenentwurf-Vorratsdatenspeicherung.pdf ) sieht nach wie vor eine anlaßlose Speicherung aller Verbindungsdaten der gesamten Bevölkerung vor.
Dies wurde 2010 vom Bundesverfassungsgericht als ein verfassungswidriger Eingriff in die Grundrechte der Bürger befunden ( https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20100302_1bvr025608.html ).
2014 wurde die dem Gesetz zugrunde liegende Verordnung der EU vom europäischem Gerichtshof aus den selben Gründen für nichtig erklärt( http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=150642&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=239745 )
Wie stehen sie zu diesem Vorhaben?
Sehr geehrter Herr Müller,
absolute Sicherheit und Freiheit lassen sich niemals vollständig und zur gleichen Zeit erreichen. In der Diskussion um Sinn und Unsinn der Vorratsdatenspeicherung treffen zwei extreme Positionen aufeinander. Einerseits sehen Fachleute der Sicherheitsbehörden einen erheblichen Ermittlungsvorteil, wenn es um die Abwehr von Terror und schwersten Verbrechen geht. Andererseits haben viele Bürger ein mulmiges Gefühl dabei, wenn irgendwo gespeichert wird, wann sie mit wem telefoniert haben, auf welchen Internetseiten sie waren oder wo sich ihr Handy zu einem bestimmten Zeitpunkt befunden hat.
Ich kann dieses Gefühl sehr gut nachvollziehen. Gerade aus der Geschichte unseres Landes wissen wir, dass ein Überwachungsstaat gefährlich ist. Deutschland 2015 ist aber weder der NS-Staat noch die DDR. Parlament, Gerichte, Medien und die Öffentlichkeit kontrollieren das Handeln der Regierung und der Behörden. In den Zeitungen lesen wir nur davon, wenn irgendwo ein Mechanismus nicht gut funktioniert hat. An jedem Tag aber achten Gerichte und Nichtregierungsorganisationen, Bürger und Medien darauf, dass wir in einem Land der Freiheit und der Bürgerrechte leben.
Ich finde daher den nun gefundenen Kompromiss gut. Mit einer zeitlichen Begrenzung der Datenspeicherung ufert diese nicht aus. Die Daten werden dezentral gespeichert und die Sicherheitsbehörden können nicht ohne einen richterlichen Beschluss darauf zugreifen. Standortdaten müssen nach vier Wochen gelöscht werden, alle anderen Daten nach zehn Wochen. Emails, abgerufene Internetseiten und die Inhalte von jeder Art von Kommunikation sind von der Vorratsdatenspeicherung, wie wir sie nun wollen, ebenfalls ausgeschlossen.
Wenn ich mir ansehe, was wirklich gespeichert wird und wie stark die Speicherung begrenzt ist, so sehe ich einen guten und überlegten Kompromiss zwischen größtmöglicher Freiheit und Sicherheit. Ganz sicher sind Hysterie und Aufregung unangebracht. Deutschland ist ein Rechtsstaat, der seine Bürgerinnen und Bürger schützt und schützen muss, auch und gerade deren Freiheit.