Silvia Lehmann, 2021, Copyright Karoline Wolf
Sylvia Lehmann
SPD
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Frage von Tom R. •

Frage an Sylvia Lehmann von Tom R. bezüglich Innere Sicherheit

Stimmten Sie deM Staatstrojaner zu, wenn ja warum?

Silvia Lehmann, 2021, Copyright Karoline Wolf
Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Ritter,

vielen Dank für Ihre Frage zu meinem Abstimmungsverhalten am 10.06.2021. Wie Sie meinem Abstimmungsprofil hier auf Abgeordnetenwatch entnehmen können, habe ich für den Gesetzesentwurf zur Anpassung des Verfassungsschutzrechts gestimmt. Zudem wurde am gleichen Tag der Gesetzesentwurf zur Modernisierung der Rechtsgrundlagen der Bundespolizei beraten.

Als ordentliches Mitglied im Innenausschuss habe ich die Beratungen und die Diskussionen um diese Gesetzesentwürfe eng verfolgt. Ich möchte hier erklären, warum wir uns als SPD dafür entschieden haben, die Befugnisse der Sicherheitsbehörden zu erweitern und welche hohen Anforderungen an die Nutzung dieser Befugnisse gebunden sind.

Hinter den „Staatstrojanern“, von denen in der öffentlichen Debatte oft die Rede ist, steht die sogenannte Quellen-Kommunikationsüberwachung oder die „Quellen-TKÜ“. Die Quellen-TKÜ ist eigentlich die digitale Entsprechung der klassischen Telefonüberwachung. Dass sich Kommunikation heute oft nur mithilfe der Quellen-TKÜ abfangen lässt, liegt an der Verschlüsselung der Messenger-Dienste. Früher konnten die Sicherheitsbehörden vergleichsweise einfach Telefongespräche mithören oder SMS-Nachrichten aufzeichnen. Heute begleitet die Verschlüsselung den gesamten Weg der Kommunikation vom Absender zum Empfänger (sog. Ende-zu-Ende-Verschlüsselung). Meist lässt sich diese Verschlüsselung nicht umgehen. Dadurch kann ein „abhören“, also mitlesen, nur erfolgen, indem sich die Sicherheitsbehörden Zugang zum Gerät, also der Quelle, verschaffen. Dazu werden Geräte mittels Software gehackt und es wird eine Software installiert, die dann mitlesen kann. Es geht dabei nicht um die Ausnutzung von Lücken, die bereits in Internetsystemen vorhanden sind.

Dieses Instrument ist in Deutschland nicht neu. Bereits heute hat das Bundeskriminalamt (BKA) und viele Länderpolizeien die Befugnis solche Software zur Quellen-TKÜ zu nutzen. Dies geschieht zum einen zur Verhinderung von Straftaten (Gefahrenabwehr) oder im Rahmen der Verfolgung begangener Straftaten. Wir haben mit dem Gesetzesentwurf dafür gesorgt, dass die Sicherheitsbehörden – hier Bundespolizei und Bundesverfassungsschutz – die Möglichkeit erhalten, auch die Kommunikation über Messenger-Dienste zu überwachen. Es geht darum die Befugnisse, die in der analogen Welt bestehen, auch in der digitalen Welt einzuräumen.

 

TKÜ und Quellen-TKÜ dürfen angeordnet werden, um eine dringende Gefahr abzuwehren. Zum Beispiel eine Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt. Die Quellen-TKÜ wird hier nur auflaufende Kommunikation begrenzt, es gibt keinen Zugriff auf gespeicherte Inhalte. TKÜ und Quellen-TKÜ dienen hier der Gefahrenabwehr, also der Verhinderung einer Straftat. Daher ist die Hürde hoch, eine solche TKÜ oder Quellen-TKÜ einsetzen zu dürfen. Die Bundespolizei muss die Überwachung beantragen und ein Richter bzw. Eine Richterin muss diese dann anordnen (Richtervorbehalt). Die Anordnung ist zudem befristet.

Darüber hinaus darf die Bundespolizei dies bei der Quellen-TKÜ im Rahmen ihrer Zuständigkeit nur im Zusammenhang mit lebensgefährdenden Schleusungen oder Menschenhandel, wenn diese Tat eine nicht unerhebliche Schädigung der genannten Rechtsgüter erwarten lässt. Die Hürden der Nutzung sind somit hoch und Einzelfallabhängig.

Über den Einsatz der Quellen-TKÜ durch die Nachrichtendienste entscheidet die sogenannte G-10 Kommission, die aus einem Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt besitzen muss, drei Beisitzern sowie vier stellvertretenden Mitgliedern besteht. Die G-10-Kommission entscheidet über die Notwendigkeit und Zulässigkeit sämtlicher durch die Nachrichtendienste des Bundes durchgeführten Überwachungen im Bereich des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (Artikel 10 unseres Grundgesetzes). Möchte ein Nachrichtendienst beispielsweise ein Telefon abhören, muss die Leitung des Dienstes zunächst einen schriftlich begründeten Antrag beim Bundesministerium des Innern und Heimat stellen. Folgt dieses dem Antrag, wird die G10-Kommission eingeschaltet. Ohne ihre Zustimmung darf die Überwachungsmaßnahme nicht durchgeführt werden. Wird eine Überwachungsmaßnahme beendet, so ist darüber zu entscheiden, ob und wann der Betroffene von der Überwachung in Kenntnis gesetzt werden kann. Auch diese Entscheidung unterliegt der Kontrolle der G10-Kommission. Schließlich nimmt die G10-Kommission Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern entgegen und prüft, ob eine unzulässige Beschränkung des Grundrechts aus Artikel 10 GG stattgefunden hat.

Wir sind der Ansicht, dass es uns gut ansteht, als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten nicht nur einen starken Staat zur fordern, wenn es um soziale Belange geht, sondern unsere Institutionen auch stark zu machen, wenn es darum geht, dass unsere Demokratie wehrhaft bleibt. Daher habe ich der Gesetzesänderung zugestimmt. Ich hoffe, dass ich Ihre Frage beantworten konnte.

Ich wünsche Ihnen alles Gute und verbleibe
mit freundlichen Grüßen
Ihre Sylvia Lehmann

 

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