Sven Reisch
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Dr. Georg P. •

Frage an Sven Reisch von Dr. Georg P. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Reisch,

mehrere unterschiedliche Konzepte zur Strompreisbegrenzung bzw. deren Erhöhung sind in der letzten Legislaturperiode gescheitert, teilweise an parteitaktischem Verhalten. Welchen Konzepten außer der Befreiung für energieintensiven Unternehmen könnten Sie bzw. werden Sie zustimmen. Was denken Sie über die Reduzierung bzw. Abschaffung der Stromsteuer? Die klein- und mittelständische Wirtschaft ist das Rückgrat der Baden-Württembergischen Wirtschaft. Wollen Sie diesen Bereich belasten (Erhöhung der Einkommenssteuer, Erhöhung der Erbschaftssteuer usw.) oder entlasten und damit Arbeits- und Ausbildungsplätze sowie Innovation sichern? Wo wollen Sie andere Strukturen bzw. Veränderungen, um die Verschuldung zu reduzieren? Sind Sie für die Beibehaltung des bisherigen Länderfinanzausgleichs? Welche Änderungen könnten Sie sich vorstellen?

Herzliche Grüße aus Leonberg

Dr. Georg Pfeiffer

Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Pfeiffer,

vielen Dank für Ihre Fragen. Gerne möchte ich im Folgenden auf die angesprochenen Punkte eingehen.

Meines Erachtens ist die Energiewende mittelfristig der Garant für stabile Strompreise. Die Ressourcenausbeutung führt zu anhaltenden Strompreissteigerungen, die Verknappung wird die Strompreise explodieren lassen. Die Erneuerbaren Energien schicken - wenn die Erzeugungsanlagen erst installiert sind - keine Rechnung. Die Grenzkosten gehen gegen Null.
Klar ist: Der Weg dorthin kostet Geld, wir müssen in erneuerbare Erzeugungsstrukturen und die Netze investieren. Aber: Die ausufernden Industriebefreiungen von der EEG-Umlage durch Schwarz-Gelb verteuern die Energiewende für Private und Mittelstand. Diese müssen alleine für die Energiewende aufkommen. Das ist ungerecht. Mit einer solidarischen Finanzierung werden die Strompreissteigerungen moderat ausfallen. Ich halte ein Herumdoktern an der Stromsteuer für falsch. Die Strompreise auf der Strombörse in Leipzig sinken. Diese sinkenden Börsenpreise werden jedoch nicht an die Endkunden weitergegeben. Das muss geändert werden. Hier kann auch jeder selbst etwas tun, indem man von der Grundversorgung auf günstigere Anbieter wechselt. Auch Ökostrom ist meist günstiger zu haben, als Grundversorgung.
Die Strompreisdebatte muss derzeit herhalten, um die Energiewende und die Erneuerbaren insgesamt zu diffamieren. Beim genaueren Hinsehen zeigt sich, dass gerade die Verhinderung der Energiewende durch die Bundesregierung die Preise treibt.

Kleine und mittlere Unternehmen sind gerade im Kreis Böblingen und in ganz Baden-Württemberg ein Garant für Innovationen. Wir Grünen unterstützen nachhaltiges, zukunftsfähiges Wirtschaften, weil wir der Überzeugung sind: Angesichts von Klimawandel und Ressourcenausbeutung kann es kein "Weiter-So" geben. Der Erfolg unserer Wirtschaft, die Sicherung von Arbeitsplätzen und der Erhalt unserer Lebensgrundlagen - das alles muss zusammen gedacht werden, um unseren Wohlstand in Zukunft zu sichern.
KMUs, Handwerk und Mittelstand sind auf gute Bedingungen, auf Planungssicherheit, gute Verkehrsinfrastrukturen und Bildungseinrichtungen und Forschungsprogramme genauso angewiesen, wie auf eine Steuerpolitik, die sie nicht über Gebühr belastet. Unsere Steuerpläne halten die Balance. Wir achten darauf, dass die Gesamtbelastung bei den Steuern nicht überlastet, werden Investitionen in die Unternehmen steuerlich begünstigen (Thesaurierung) aber gleichzeitig dafür sorgen, dass die öffentliche Infrastruktur, auf die unsere Unternehmen dringend angewiesen sind, nicht weiter gegen die Wand gefahren wird.

Zur Begrenzung der Staatsverschuldung wollen wir einige Subventionen - vor allem umweltschädliche - abbauen und unnötige staatliche Ausgaben kürzen. Das schwarz-gelbe Betreuungsgeld z.B. passt überhaupt nicht in diese Zeit und ist finanzpolitisch (über 1Mrd. Euro im Jahr) untragbar. Die Staatsverschuldung zurückzuführen bedarf weitergehender Anstrengungen. Die Bankenrettung (die wir im Grundsatz mitgetragen haben) hat hohe Verschuldung mit sich gebracht. Sie hat aber auch dafür gesorgt, dass Vermögen gesichert wurden. Wir halten es für angemessen, zur Tilgung dieser Kosten eine zeitlich befristete Vermögensabgabe einzuführen. Mit dieser Art von Abgabe wird nicht die Substanz von Unternehmen besteuert, sondern Privatvermögen und Vermögenserträge. Damit schaffen wir einen zeitlich begrenzten solidarisches Beitrag zur Schuldentilgung, ohne über Gebühr zu belasten.

Der Länderfinanzausgleich muss in seiner heutigen Form überdacht werden. Auch die Geberländer müssen ja strukturell konsolidieren und die öffentliche Infrastruktur erhalten. Aber eine Klage vor dem Verfassungsgericht ist der falsche Weg und ein politisches Armutszeugnis. Die CDU-geführten Bundesländer geben damit ihren politischen Gestaltungsanspruch auf und wollen das Verfassungsgericht zum politischen Organ machen. Ich gehe davon aus, dass das Verfassungsgericht das nicht mitmacht. Politik muss handeln und Verantwortung übernehmen. Deshalb müssen die Regierungen und gewählten Volksvertreter in Gespräche eintreten und über eine Neuordnung der finanziellen Länderbeziehungen verhandeln. Klar ist, dass es in der Bundesrepublik ein solidarisches System geben muss. Eine Föderalismusreform III für die Zeit ab 2019 fordern wir, dass auch die anderen Finanzströme zwischen Bund und Ländern sowie die finanzielle Situation der Kommunen in die Diskussion über den Länderfinanzausgleich einbezogen werden. "Außerdem wollen wir dafür Sorge tragen, dass der Länderfinanzausgleich nach Bedürftigkeit, fair, anreizkompatibel und solidarisch ausgestaltet wird. Anstrengungen für Mehreinnahmen, Effizienz und Einsparungen müssen sich für alle Bundesländer lohnen. Eines steht für uns schon fest: Das Grundgesetz muss wieder gemeinsames Handeln von Bund, Ländern und Kommunen ermöglichen. Wir setzen uns schon lange dafür ein, das Kooperationsverbot im Bildungsbereich abzuschaffen und die Kooperationsmöglichkeiten in der Wissenschaft zu erweitern. Den Ländern und Kommunen fehlen einfach die finanziellen Mittel, um die gesamtstaatlichen Herausforderungen für den notwendigen Bildungsaufbruch mit guten Ganztagsschulen zu bewältigen. Es ist an der Zeit, mehr Kooperation zu ermöglichen." (aus unserem Wahlprogramm, S. 278)

Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte und bedanke mich nochmals recht herzlich für Ihr Interesse.

Mit freundlichen Grüßen
Sven Reisch