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Sven Lehmann
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Frage von Christoph G. •

Warum ist Atomkraft teuer?

Sehr geehrter Herr Lehmann,

am 15.04.2023 schrieben Sie auf Twitter: „Heute ist ein historischer Tag: Die #Atomkraft in Deutschland endet nach über 60 Jahren. Atomenergie ist teuer, gefährlich und die Risiken nicht beherrschbar - wie die Katastrophen von Tschernobyl & Fukushima gezeigt haben. Die Zukunft gehört den Erneuerbaren! […]“

Meine Frage hierzu: Warum ist Atomkraft teuer? Was macht Atomkraft teuer? Und im Vergleich zu was? Gerade vor dem Hintergrund, dass Polen gerade neue Atomkraftwerke baut, irritiert mich diese Aussage. (Quelle: https://www.spiegel.de/wirtschaft/polen-regierung-beschliesst-bau-von-atomkraftwerken-a-fc282ad0-5f53-4c50-a99d-d87e060248a1)

Vielen Dank und beste Grüße!

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Guten Tag Christoph G.,

vielen Dank für Ihre Frage.

Dass Atomkraft günstig sei, ist ein Mythos. Die Planung, Genehmigungen und der Bau dauern sehr viele Jahre und die Kosten für neue Atomkraftwerke steigen. Der Blick auf alle zurückliegenden Atomprojekte zeigt vor allem eines: jahrzehntelange Bauzeiten und Kostenexplosionen in Milliardenhöhe. Ohne staatliche Förderung kann weltweit kein einziges AKW ökonomisch tragfähig gebaut werden. Zudem werden viele Risiken, Schäden und Verwüstungen durch Uranabbau in anderen Regionen Welt außer Acht gelassen. Erneuerbare sind hingegen mit der Zeit und weiterer Entwicklung deutlich günstiger geworden. Das Klima braucht schnelle und leistbare Lösungen – nur mit Erneuerbaren sorgen wir für eine saubere, sichere und kostengünstige Energieversorgung.

Dies zeigen auch europäische Erfahrungen: Eine Megawattstunde Atomstrom kostet beispielsweise im französischen Flamanville voraussichtlich bis zu 125 Euro pro Megawattstunde. Im Vergleich mit den aktuellen durchschnittlichen Stromgestehungskosten weltweit für Wind-Onshore (rund 29€/Mwh) und Photovoltaik (rund 42€/Mwh) sind Atomkraftwerke einfach nicht wettbewerbsfähig.

Die Kosten der Atomkraft werden auf die Gesellschaft abgewälzt. Wir werden noch Jahrzehnte lang die Atomkraft-Altlasten tragen müssen, die Endlagerlast sogar noch Jahrtausende. Die Rückstellungen der Atomindustrie decken das nicht ansatzweise ab. Die jährlichen Kosten der Atomenergie belaufen sich im deutschen Bundeshaushalt 2022 auf etwa 1,8 Mrd. EUR. Darunter fallen z.B. die Kosten der Zwischen- und Endlagerung sowie Kosten für die Stilllegung und den Rückbau von Atomkraftwerken. Ein Gutachten im Auftrag des Wirtschaftsministeriums kam zudem 2015 zum Schluss, dass die Gesamtkosten für die Abwicklung der Atomkraft in Deutschland insgesamt 170 Mrd. Euro erreichen könnten. Das erscheint mittlerweile eher als eine niedrige Schätzung.

Mit besten Grüßen,

Sven Lehmann

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