Nach Anmeldung der Geschlechtseintrags- und einhergehender Vornamensänderung Probleme mit zuständigem Standesamt nach SBGG
Sehr geehrter Herr Lehmann,
ich schreibe diese Nachricht für mich aber auch für weitere betroffene Personen. Ich hatte bisher Eintrag weiblich und einen weiblichen Vornamen. Nun habe ich die Erklärung divers abgeben und einen männlich konnotierten Namen gewählt, da im diversen Spektrum viele geschlechtlichen Identitäten vertreten sind. Mir wurde mitgeteilt, das nur ein unisex Name funktionieren würde und auch kein weiterer zusätzlicher klärender Vorname (männlich, unisex-Name; als Beispiel) vergeben werden darf. Der Gesetzestext ist hier nicht klar und das wird entweder durch Behörden genutzt oder diese stehen ebenfalls auf unsicherer Rechtsgrundlage. Was sind hier Möglichkeiten und Lösungen? Das neue SBGG sollte eigentlich erleichternde Wirkung haben.
Ich würde mich über eine Rückmeldung freuen.
Mit freundlichen Grüßen,
Mogli T.
Guten Tag Mogli T.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Laut Selbstbestimmungsgesetz hat eine Person mit ihrer Erklärung über die Änderung des Geschlechtseintrags die Vornamen zu bestimmen, die sie zukünftig führen will und die dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen. In der Begründung des Gesetzentwurfs (S. BT-Drs. 20/9049, S. 36) wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass insoweit dieselben Regeln gelten, die für die Vornamensbestimmung bei Geburt gelten. Des Weiteren wurde in der Beschlussempfehlung zu § 2 Absatz 3 SBGG ausdrücklich darauf hingewiesen, dass es für die Änderung der Vornamen bei Änderung des Geschlechtseintrags nach den Vorschriften des SBGG nicht auf die Voraussetzungen der §§ 3 und 11 des Namenänderungsgesetzes ankommt (s. BT-Drs. 20/11004, S. 34).
Darüber hinaus sind die Bundesländer auf Grund der föderalen Grundordnung für die Ausführung des Selbstbestimmungsgesetzes zuständig. Die Standesämter sind nach Landesrecht die für das Personenstandswesen zuständigen Behörden. Sie beurkunden den Personenstand und die Vornamen einer Person auf Grundlage der geltenden Gesetze. Bei der Rechtsanwendung und Rechtsauslegung ist die Verwaltung grundsätzlich fachlich unabhängig und eigenverantwortlich.
Es ist richtig, dass es ein Schreiben des Bundesinnenministeriums gab, in dem es auf Fragen aus den Standesämtern zur Umsetzung des Selbstbestimmungsgesetzes einging und seine damalige Gesetzesauslegung zur Frage der Anzahl der Vornamen darstellte. Dieses Schreiben war keine Anordnung, sondern beinhaltete unverbindliche Auslegungshinweise des BMI.
Unabhängig davon hat das BMI inzwischen ein korrigierendes Ergänzungsschreiben zur Auslegung des § 2 Abs. 3 SBGG versendet, das auch mit den beiden federführenden Ressorts BMFSFJ und BMJ abgestimmt ist. Darin kommt das BMI zu der neuen Auffassung:
"Für die Bestimmung der Vornamen nach § 2 Abs. 3 SВGG sind die für die Anzahl der Vornamen allgemein gültigen Grundsätze anzuwenden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 28.01.2004-1 BvR 994/98 = StAZ 2004, 108f.; OLG Düsseldorf StАZ 1998, 343; OLG Köln StAZ 1998, 82). Dies bedeutet eine Höchstgrenze von maximal fünf Vornamen. Innerhalb dieses Rahmens kann die Anzahl der Vornamen im Zuge der Erklärung nach § 2 SBGG verändert (d. h. erhöht oder verringert) werden." Auch in diesem Schreiben wird betont, dass es sich bei diesem Hinweis nicht um rechtsverbindliche Empfehlungen für die Rechtsanwendung handelt und die Auslegung der Bestimmungen des SВGG im Einzelfall wird letztlich von der Rechtsprechung zu klären sein.
Darüber hinaus gibt es keine gesetzlichen Vorgaben dahingehend, welche Vornamen „dem gewählten Geschlechtseintrag entsprechen“. Das SBGG selbst statuiert als generelles Ziel, dass „die personenstandsrechtliche Geschlechtszuordnung und die Vornamenswahl von der Einschätzung dritter Personen“ gelöst werden soll „und die Selbstbestimmung der betroffenen Personen“ gestärkt werden soll.
Der Gesetzgeber lässt erkennen, dass im Falle einer Änderung des Geschlechtseintrags zu „divers“ oder der Streichung eines Geschlechtseintrags keine Bedenken gegen die Wahl eines Vornamens bestehen, der sich einem binären Geschlecht nicht zuordnen lässt, oder mehrerer Vornamen, von denen einzelne dem einen und die anderen dem anderen Geschlecht entsprechen. Männliche, weibliche und beiden Geschlechtern zuordenbare Vornamen sowie jede beliebige Kombination ist hier möglich. Dies hat auch das BMI zuletzt in einem Schreiben an die Standesämter dargelegt.
Wird die Eintragung des gewählten Vornamens abgelehnt, besteht gemäß § 49 Absatz 1 PStG die Möglichkeit eines Antrags an das zuständige Gericht, das das Standesamt anweisen kann, den gewählten Vornamen einzutragen.
Zusammenfassend lässt sich also festhalten:
Die Wahl zusätzlicher Vornamen sowie der Verzicht auf Vornamen bei einer Vornamensänderung im Zusammenhang mit einer Erklärung zur Änderung des Geschlechtseintrags nach § 2 SBGG ist möglich. Das SBGG enthält dahingehend keine Beschränkungen. Wie viele Vornamen hinzugefügt (oder gestrichen) werden können ist final durch die Rechtsprechung zu entscheiden. In der Rechtsprechung für die Vornamenswahl bei Geburt eines Kindes wurden bisher fünf Vornamen noch für zulässig erachtet.
Darüber hinaus trifft das Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) keine Aussage darüber, welche Vornamen einem offenen Geschlechtseintrag oder dem Geschlechtseintrag „divers“ entsprechen. Männliche, weibliche und beiden Geschlechtern zuordenbare Vornamen sowie jede beliebige Kombination sind hier daher möglich.
Ich habe darauf hingewiesen, dass es das Ziel des Selbstbestimmungsgesetzes ist, eine selbstbestimmte Korrektur des Geschlechtseintrags und der Vornamen zur Wahrung der verfassungsrechtlich geschützten Geschlechtsidentität für trans*, inter* und nichtbinäre Menschen zu ermöglichen. Die Änderung des Geschlechtseintrags soll mit der Wahl eines selbstgegebenen identifikationsstiftenden Namens einhergehen. Ich setze mich daher weiterhin für eine weite Auslegung des Gesetzestextes ein. Es ist wichtig, dass jede Person, die ihren Geschlechtseintrag ändert, den oder die Vornamen, die aus ihrer Sicht am besten zu ihr passen, bestimmen kann. Die Umsetzung des Gesetzes muss diesen Grundgedanken entsprechen und der Zugang niedrigschwellig möglich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Lehmann