Frage an Sven Giegold von Janina B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Giegold,
besonders in Zeiten einer globalen Krise ist Europa umso wichtiger. Bei der Abstimmung zu europaweiten Maßnahmen gegen die COVID-19-Pandemie haben sie gegen die Resolution gestimmt. Welche Gründe hatten sie hierzu und für welche gesamteuropäischen Maßnahmen werden Sie - als Experte europäischer Wirtschaftspolitik - werden Sie sich stattdessen einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Bauer,
vielen Dank für Ihre Frage. Europa muss solidarisch die Krise bewältigen. Die Möglichkeiten der EU-Staaten, die Wirtschaftskrise zu bekämpfen, sind sehr unterschiedlich. Mit Italien, Spanien und Frankreich sind ausgerechnet die Staaten besonders von der Coronakrise betroffen, die schon geschwächt aus der Eurokrise hervorgegangen sind. Die gemeinsame Währung und der gemeinsame europäische Markt wird eine länger anhaltende Krise nur überleben, wenn alle Teile Europas ökonomisch mit einem blauen Auge davonkommen. Deshalb fordern wir Grüne die Einführung von Coronabonds, um gemeinsam und solidarisch den Wiederaufbau der europäischen WIrtschaft zu finanzieren.
Wir Grüne haben nicht gegen die Resolution des Europaparlaments gestimmt. Wir haben uns mehrheitlich enthalten. Der Unterschied ist mir wichtig, da der Beschluss des Parlaments tatsächlich viele fortschrittliche und proeuropäische Positionen enthält. Das Europaparlament sprach sich für Coronabonds aus um den Wiederaufbau zu finanzieren. Und zwar im Rahmen des europäischen Haushalts. Das ging auch auf Vorschläge unserer Grünen Fraktion in den Verhandlungen und Abstimmungen zurück. Dieser Vorschlag fand auch die Unterstützung der Liberalen und Christdemokraten.
Doch in der zentralen Frage, ob wir die Krise auch finanziell solidarisch lösen, hat die Mehrheit sich einer überzeugenden europäischen Antwort verweigert. Mit den Stimmen der rechten Europagegner, der Christdemokraten und der Liberalen wurde unser Änderungsantrag knapp abgelehnt, der den Weg zu Coronabonds auch jenseits des Wiederaufbaus ebnen sollte. Damit bleibt das Europaparlament in der entscheidenden Frage hinter dem Notwendigen zurück. Denn die hohen neuen Schulden in Südeuropa folgen nicht vor allem aus dem wirtschaftlichen Wiederaufbau, sondern aus den direkten und indirekte Kosten der Krise selbst: Steuereinnahmen brechen ein, Unternehmen müssen staatlich stabilisiert werden, Kurzarbeit finanziert werden, usw. Die Verweigerung von Christdemokraten und Liberalen hier echte Solidarität zu zeigen und diese Anstrengung gemeinsam zu finanzieren, ist ein schwerer europapolitischer Fehler in dieser entscheidenden Frage. Unsere Fraktion hatte vor der Abstimmung klargestellt, dass die Zustimmung zur Resolution als ganzes von dem Erfolg dieses Änderungsantrags abhängig ist.
Daher haben wir Grünen uns mehrheitlich in der Schlussabstimmung enthalten. Unser Votum sollte ausdrücken: Diese Resolution ist nicht gut genug. Nur wenn wir diese Krise solidarisch bekämpfen, können wir Europa zusammenhalten. Dafür setze ich mich persönlich und wir gemeinsam als europäische Grüne Fraktion weiter ein.
Weitere Details zur Corona-Resolution und unserer grünen Position finden Sie auch auf meinem Blog: https://sven-giegold.de/europaparlament-corona-resolution/
Vielen Dank für Ihre Frage und Ihren Einsatz,
Sven Giegold