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Sven Giegold
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Frage von Dieter C. •

Frage an Sven Giegold von Dieter C. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben

Guten Tag Herr Giegold, stimmt es das Sie der Auffassung sind das die Handlungsweise der EZB, unerlaubte Staatshilfen/finanzierungen durch die Hintertür, Ankauf von Staatsanleihen auf dem privaten Markt, richtig ist. Erklären Sie mir bitte einmal warum ich als deutscher Steuerzahler keine Zinsen mehr erhalten darf aber gleichzeitig der italienische Staat weiter Schulden zu geringen Zinsen machen darf. Ist das die "Europäische Solidarität". Sie fordern Frau von der Leyen auf ein Verfahren gegen Deutschland einzuleiten. Haben Sie dieselbige auch zu Verfahren gegen Ungarn und Polen aufgefordert? Bitte erklären Sie mir weiterhin woher kommen die 1,5 Billionen € die die EZB mittlerweile ausgegeben hat. Hat Europa irgendwo einen Goldschatz versteckt oder sind dies Schulden auf Kosten der europäischen Bürger. Mit freundlichen Grüßen D. C.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Conradt,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich bin in der Tat der Auffassung, dass die EZB in dieser Krise grundsätzlich richtig handelt. Denn die EZB muss dafür sorgen, dass die monetären Bedingungen in der Eurozone nicht zu weit auseinander laufen. Der Ankauf von Staatsanleihen verstößt auch nicht grundsätzlich gegen europäisches Recht. Es kommt auf die Ausgestaltung an.

Zu dieser Ansicht ist auch das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf das Anleihekaufprogramm PSPP gekommen, indem es lediglich eine klarere Verhältnismäßigkeitsprüfung durch die EZB angefordert, aber das Programm selbst nicht in Frage gestellt hat. Für mich gehört es zur Unabhängigkeit der Zentralbank, dass sie zum Erreichen von Preisstabilität und unterstützend auch für wirtschaftspolitische Ziele auch zu unkonventionellen Instrumenten greifen darf. Als Zentralbank kann die EZB im Rahmen ihrer Geldpolitik auch neues Geld schöpfen aus dem Nichts - das erklärt den Ursprung der von ihnen genannten Beträge. Es ist allerdings ein Irrtum, dass die niedrigen Zinsen für Sparer in Deutschland vor allem mit der Geldpolitik der EZB zu erklären sind. Vielmehr sehen wir die gleiche Entwicklung zu Niedrigzinsen in allen westlichen Industrieländern. Zentrale Ursache ist, dass derzeit mehr langfristig gespart als investiert wird. Das ist die Folge einer alternden Bevölkerung sowie einer Wirtschaftspolitik, die Investitionen zu wenig unterstützt. Die Zinsen können sich erst wieder ein Stück weit entwickeln, wenn wir öffentlich wie privat die Investitionsquote erhöhen. Auch deshalb streiten wir Grünen wir eine Investitionsoffensive in Klimaschutz, Bildung und Digitalisierung.

Dass die Zentralbank so viel tun muss, um die Eurozone in der Krise zu stabilisieren, liegt auch daran, dass die europäischen Regierungen zu wenig gemeinsame Haushalts- und Investitionspolitik zur Stabilisierung der Wirtschaft gemacht haben. Insgesamt hat die Niedrigzinspolitik der EZB in dieser und der letzten Krise dazu geführt, dass die Wirtschaft weniger hart getroffen wurde, es nicht zu einer schweren Depression kam, weniger Jobs weggefallen und weniger Unternehmen bankrott gegangen sind. Das hat Einkommen und Vermögen während der Krisen geschützt und auch Unternehmen und Sparern in Deutschland sehr geholfen, die ohne die Geldpolitik der EZB heute sehr wahrscheinlich schlechter dastünden.

Das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland habe ich gefordert, weil das Urteil des Bundesverfassungsgericht zum Anleihekaufprogramm PSPP die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in Frage gestellt hat, und damit große Fragen in Bezug auf die europäische Rechtsordnung insgesamt aufgeworfen hat. Wenn solche Urteile der nationalen Höchstgerichte Schule machen, zerstört das die europäische Rechtsgemeinschaft. So könnten Gerichte in Polen oder Ungarn die Urteile des Europäischen Gerichtshofs in Fragen der Demokratie und Grundrechte in Frage stellen.Ein Vertragsverletzungsverfahren würde ermöglichen, diese rechtspolitischen Fragen zu klären und somit wieder Ordnung für die europäische Rechtsordnung herzustellen. Ich habe aufgrund von Verletzung der Rechtsstaatlichkeitsprinzipien in der Vergangenheit auch schon Vertragsverletzungsverfahren für Ungarn und Polen gefordert - wie übrigens auch die Mehrheit des Europaparlaments.

Mit freundlichen Grüßen,
Sven Giegold