Frage an Sven Giegold von Uwe H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Giegold,
werden Sie sich im Fall Ihrer Wahl für eine Verschärfung der europäischen Kriterien für den Rüstungsexport und - angesichts der besonders hohen Opferzahlen durch Kleinwaffen - für ein Exportverbot von Kleinwaffen und zugehöriger Munition einsetzen? Werden Sie sich im Fall Ihrer Wahl für ein EU-Waffenembargo gegenüber den am Jemen Krieg beteiligten Staaten einsetzen? Werden Sie sich im Fall Ihrer Wahl für die völkerrechtliche Ächtung von autonomen Waffensystemen einsetzen und eine Finanzierung der Erforschung und Entwicklung solcher Systeme durch Gelder des Europäischen Verteidigungsfonds ablehnen?
Mit freundlichem Gruß,
U. H.
Sehr geehrte Herr H.,
Waffenexporte an die im Jemen Krieg-führenden Länder sind schon nach geltenden EU-Regeln illegal. Waffenausfuhren aus Frankreich und Deutschland nach Saudi-Arabien verstoßen gegen einen Gemeinsamen Standpunkt der EU. Die EU-Außenminister haben 2008, unter französischem Vorsitz, acht verbindliche EU-Kriterien für Waffenausfuhren beschlossen. Kriterium zwei dieses Gemeinsamen Standpunkts 2008/944/GASP verpflichtet die 28 Mitgliedstaaten, Waffenlizenzen und Lieferungen zu verweigern, wenn die eindeutige Gefahr besteht, dass die Technologie für Kriegsverbrechen und andere schwere Verletzungen der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts eingesetzt werden. Eine Genehmigung ist nach dem vierten Kriterium auch dann zu verweigern, wenn eindeutig droht, dass die Empfänger der Waffen sie aggressiv gegen einen anderen Staat einsetzen oder ihre Weitergabe die regionale Stabilität gefährdet. Die UNO identifizierte seit 2015 zahlreiche Kriegsverbrechen im Jemen, begangen von Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiraten und anderen, die französische Rüstungsexporte im Wert von Dutzenden von Milliarden Euro erhalten haben. Die UNO bezeichnet die Folgen des von Saudi-Arabien geführten Krieges als die schwerste humanitäre Krise der Welt, einschließlich Hungersnot und Cholera als direkte Folge einer Marine- und Luftblockade. Der Verstoß gegen die EU-Kriterien für Waffenexporte durch Saudi-Arabien im Jemen ist klar, gut dokumentiert und offensichtlich. Daher sind Waffenexporte aus der EU nach Saudi-Arabien nach EU-Regeln illegal. Das stärkere und souveräne Europa, von dem Macron spricht, muss auf funktionierender Rechtsstaatlichkeit aufbauen. Die ständige Verletzung europäischer Regeln missachtet nicht nur die Rechtsstaatlichkeit, sondern behindert auch alle Fortschritte beim Aufbau eines stärkeren Europas.
In Deutschland haben sich die Regierungsparteien inzwischen auch darauf geeinigt, die europäischen Regeln nicht einzuhalten. Die Christdemokraten unterstützen offen Waffenexporte in die wahhabitische Monarchie. Die Sozialdemokraten lehnten Exporte zuerst ab, stimmten dann aber in einem Kompromiss Exporten zu, wenn Bauteile europäischer Partner bei der Produktion gemischt werden. Der Kompromiss der Großen Koalition erlaubt den Export von Waffen wie zum Beispiel Eurofighter Kampfflugzeugen auch nach Saudi-Arabien, solange die deutschen Teile – je nach Größe – nicht mehr als zehn oder 20 Prozent des gesamten Waffensystems ausmachen. Die deutsche Koalitionsregierung respektiert nicht, wie schon die Macron-Regierung, das verbindliche Ausfuhrregime und erweckt den Eindruck, dass die Einhaltung der EU-Kriterien handelbar gegen die Gunst anderer Regierungen sei. Eine wertebasierte europäische Außenpolitik ist auf Grundlage des Beharrens auf illegalen Exporten von Macrons En Marche und Annegret Kramp-Karrenbauers CDU und der prinzipienlosen Position der SPD von Andrea Nahles nicht möglich.
Die regelbrechende Politik in Frankreich und Deutschland ist ebenso inakzeptabel wie die verdächtige Geheimhaltung des deutsch-französischen Abkommens über Waffenexporte im Anhang zum neuen Elysée-Vertrag. Die Regierungen auf beiden Seiten des Rheins haben mit der für zu lange Zeit geheimen Vereinbarung gezeigt, dass sie die acht EU-Kriterien für Waffenexporte lieber umgehen als sie zu stärken. Gemeinsame europäische Regeln müssen auf den bestehenden acht Kriterien aufbauen und transparent ausgehandelt werden. Wir Grünen haben vorgeschlagen, die in Form eines Gemeinsamen Standpunktes 2008 von den Außenministern beschlossenen Regeln im Rahmen des neuen Europäischen Verteidigungsfonds in das Gemeinschaftsrecht der EU aufzunehmen. Während die Entscheidung der Minister allein nur unter ihnen durchgesetzt werden kann, wird ein EU-Gesetz von der Kommission vorgeschlagen, von Parlament und Rat beschlossen und kann von der EU-Kommission und – falls erforderlich – dem Europäischen Gerichtshof durchgesetzt werden. Christdemokraten, Liberale und Teile der Sozialdemokraten haben unseren Vorschlag jedoch nicht unterstützt. Wir werden die von Journalisten offenbarte Wahrheit und die Forderungen der Bürger aus Le Havre und anderswo in das nächste Europäische Parlament tragen. Wir Grüne wollen Menschenrechte und europäischer Werte als Entscheidungsgrundlage für Waffenexporte mit der vollen Kraft eines europäischen Gesetzes. Europa braucht ein kohärentes und umfassendes System für die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich, einschließlich einer wirklich gemeinsamen, harmonisierten und durchsetzbaren Waffenexportpolitik. Industrielle Zusammenarbeit bei der Produktion und Kohärenz bei den Ausfuhren sind zwei Seiten derselben Medaille.
Zur Stärkung der europäischen Regeln zu Waffenexporten wollen wir Nichtregierungsorganisationen ein Verbandsklagerecht einräumen, um die Rechtmäßigkeit genehmigter Rüstungsexporte überprüfen zu lassen. Besonders viele Opfer weltweit fordert der Einsatz von kleinen und leichten Waffen. Die Bundesregierung muss zunächst den Export dieser Waffen und ihrer Munition an Drittstaaten komplett verbieten und nur wenige und gut begründete Ausnahmen ausschließlich im Rahmen von Missionen mit UN-Mandat zulassen. Ein solches Exportverbot für Kleinwaffen fordern wir auch auf europäischer Ebene. Auch wollen wir nicht, dass Überwachungssysteme zur Unterdrückung von Menschen in Diktaturen genutzt werden. Wir fordern daher, dass die Einhaltung der gemeinsamen Regeln für die Ausfuhrkontrolle von Militärtechnologie und Militärgütern (ebenso der gemeinsame Standpunkt des Rats von 2008) überprüft und Verstöße gerichtlich geahndet werden können. Im Rahmen der Überarbeitung der Dual-Use-Verordnung fordern wir die Einführung einer allgemeinen Menschenrechtsklausel, die nicht nur auf Überwachungstechnologie anzuwenden ist. Maßnahmen zur Abrüstung muss die EU auch auf neue Bereiche der Kriegsführung – wie das Internet, den Weltraum und autonome Waffensysteme – ausdehnen. Wir wollen, dass die EU für die Einbeziehung bewaffneter unbemannter Luftfahrzeuge in internationale Abrüstungs- und Rüstungskontrollregime eintritt. Das gilt insbesondere für die Entwicklung, Herstellung, Beschaffung und Verbreitung voll-autonomer Waffensysteme, bei denen Auswahl und Bekämpfung von Zielen keiner Steuerung durch den Menschen unterliegen. Sie können zu massiven Völkerrechtsverletzungen führen und ein neues Wettrüsten ankurbeln. Deshalb soll sich die EU für eine umfassende völkerrechtliche Ächtung autonomer Waffensysteme (LAWs) einsetzen. Außerdem muss
die EU zur atomaren Abrüstung beitragen, sowohl im Innern durch den Einsatz für ein atomwaffenfreies Europa als auch international, und ihre Mitglieder zur Unterzeichnung des UN-Vertrags auffordern.