Frage an Sven Giegold von Heinz B. bezüglich Soziale Sicherung
Was sagen Sie zum Thema: "bedingungsloses Grundeinkommen". Sind Sie bereit diese Frage im Europaparlament einzubringen und zu diskutieren?
Sehr geehrter Herr B.,
ein bedingungsloses Grundeinkommen würde bedeuten, dass ein Vorstandsvorsitzender denselben Betrag vom Staat bekommt wie sein Chauffeur. Ist das gerecht? Sozialstaatlichkeit lebt von der politischen Unterstützung seiner BürgerInnen. Die Ausgaben des Sozialstaats müssen für jedermann einsichtig sein, sonst bröckelt diese Unterstützung. Das bedingungslose Grundeinkommen gefährdet aus meiner Sicht das politische Fundament des Sozialstaat. Was zunächst großzügig erscheint, kann vielmehr Sozialstaatlichkeit delegitimieren und so zu seiner Abrissbirne werden. Das ist ja die Hoffnung der neoliberalen Grundeinkommensfans wie Straubhaar und Althaus.
Das Grundeinkommen ist erheblich teurer als die Grundsicherung. Diese Mittel fehlen dem Staat für dringend notwendige Investitionen in Kinderbetreuung, Schule, Hochschule, Gesundheitsprävention, Sozialarbeit und öffentliche Verkehrsinfrastruktur. Staat und Kommunen haben durch harten Steuerwettbewerb Milliarden weniger in der Kasse als es bei Steuerkooperation gegenüber multinationalen Großunternehmen der Fall wäre. Investitionen in Gemeinschaftsgüter für Alle nach skandinavischen Vorbild sind der Schlüssel für ein Sozialstaatsmodell, das Teilhabechancen bietet und breite politische Zustimmung findet. Wenn die Gemeinschaftsgüter durch gerechte Steuern finanziert werden, ist das moderne Umverteilungspolitik, die wir angesichts der auseinandergehenden Einkommensschere dringend brauchen!
Hartz IV hat Angst und Schrecken verbreitet. Die Leistungen sind zum Leben zu wenig, werden zu kurz gewährt und sind dazu noch mit übler Gängelung verbunden. Die Grundsicherung, wie sie Grünes Programm ist, orientiert sich am soziokulturellen Existenzminimum. Die bürokratische Kontrolle soll auf ein Minimum reduziert werden.
Ein bedingungsloses Grundeinkommen wird teils auch damit begründet, dass es immer weniger Arbeit in der Gesellschaft gäbe. Das Ende der Erwerbsarbeit ist aber ein gefährlicher Mythos und verschleiert oft schlechte Wirtschaftspolitik. Die Skandinavischen Länder machen uns vor, dass eine hohe Erwerbsbeteiligung mit guter Arbeit vereinbar ist. Wir haben ohne Ende sinnvolle Arbeit. Die wichtigsten Bereiche wie Bildung, Umwelt, soziale Dienste für Alle müssen aber öffentlich finanziert werden. Das macht auch ökonomisch Sinn und ist zentraler Bestandteil des Grundsicherungskonzepts.
Ein Sozialstaat mit leistungsfähigen Gemeinschaftsgütern hat tiefe verankerte politische Unterstützung und hält auch harten, wirtschaftsliberalen Angriffen stand. Meine Befürchtung gegenüber dem Grundeinkommen: Es wird zur Delegitimierung des Sozialstaates beitragen und damit den Neoliberalen in die Hände spielen. Der Niedergang der kommunalen Infrastruktur, das mangelnde Geld in der Bildung, in der Pflege, in sozialen Diensten und im öffentlichen Verkehr sind neben der Mühle von Hartz IV das zentrale Defizit unseres Sozialstaats. Beide Probleme anzugehen und die Priorität auf die Gemeinschaftsgüter zu setzen, das ist gerecht.