Frage an Sven Giegold von Axel S. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Giegold, zwei Fragen an Sie als Kandidat und Wirtschaftswissenschaftler:
1) Ihr Wahlprogramm fordert "gesetzliche oder tarifliche Mindestlöhne,die relevant über der Armutsgrenze liegen". (S. 77) Erwarten Sie, daß Angestellte zu solchen Mindestlöhnen beschäftigt werden, wenn ihre Kosten so hoch sind, daß sie sie durch ihre Tätigkeit nicht erwirtschaften können? Oder wollen sie solche Jobs (wie z.B. bei PIN) einfach eliminieren?
Wenn Sie mit unwirtschaftlichen Arbeitsverhältnissen rechnen: Wer wird sie nach Ihrer Erwartung anbieten, und warum?
2) Ihr Wahlprogramm fordert: "Wir wollen die EU-Mitgliedstaaten zu einer hohen Frauenbeschäftigungsquote verpflichten und dies an wirksame Sanktionsmöglichkeiten, beziehungsweise Quotenregelungen für Führungsetagen koppeln. Um das europäische Grundrecht auf geschlechtergerechte Entlohnung endlich Realität werden zu lassen, muss Lohndiskriminierung stärker bekämpft werden, zum Beispiel durch Entschädigungszahlung und Bußgelder." (S. 78) Bei der Besetzung einer Stelle sind viele ´weiche´ Faktoren wichtig. (Z.B. Erfahrungen und Persönlichkeitsmerkmale, die nicht objektiv zu bewerten sind.)
Wird ein Arbeitgeber nach Ihrem Konzept bei der Zusammenstellung eines Teams solche Aspekte noch berücksichtigen können? Wenn ja, wie kann er sich vor dem Vorwurf der Diskriminierung schützen? Welchen Aufwand wird die Rechtfertigung der Entscheidung kosten? (Oder wird dann statt des persönlichen Eindrucks ein zertifiziertes Computerprogramm anhand objektiver Kenndaten entscheiden, mit wem die Stelle quotenkonform und diskriminierungsfrei zu besetzen ist?)
Sehr geehrter Herr Schubert,
Sie haben recht, dass Mindestlöhne Jobs im Niedriglohnsektor kosten. Allerdings ist der Zusammenhang mit der gesamtwirtschaftlichen Nachfrage nach Arbeit keineswegs so eindeutig. Mindestlöhne würden die Lohnquote erhöhen und damit die Binnennachfrage. Da Deutschland außenwirtschaftlich hohe Leistungsbilanzüberschüsse hat, ist dies auch vertretbar und angezeigt. Damit die negativen Beschäftigungseffekte am unteren Ende der Lohnskala nicht zu stark werden, wollen wir im gleichen Zuge eine Progression in die Sozialabgaben einführen. In Skandinavien kann man sehen, dass die Beschäfitungsquote auch bei höheren Löhnen und mit viel weniger Niedriglohnjobs höher sein kann als bei uns. Das setzt voraus, dass wir in Bildung, Gesundheit, Pflege, Jugendarbeit, usw. als öffentlich finanzierte soziale Dienste am Menschen investieren. Wir wollen einen Sozialstaat, der weniger für Transfers ausgeben muss und stattdessen gute Arbeit finanziert.
Was die Beschäftigung von Frauen angeht, so kann man von Norwegen lernen. Erst als dort für Aufsichtsräte ein Mindestanteil von Frauen verbindlich vorgeschrieben wurde, bekamen Frauen eine echte Chance und die notwendigen Qualifizierungsmöglichkeiten. Es ist einfach nicht hinnehmbar, dass Frauen viel niedriger bezahlt werden, weil sie auf höheren Positionen keine Chance bekommen.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Giegold