Frage an Sven Giegold von Arno P. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Giegold,
die gescheiterte EU-Verfassung und auch der Lissabonvertrag stehen für die weitere Aufrüstung und Militarisierung Europas. Auch die neoliberale Politik der Agenda 2010 und der Hartz-Gesetze haben ihren Ausgangspunkt in der Agenda von Lissabon im Jahre 2000. Europa soll Weltmacht werden! Wie wollen sie dies als Mitbegründer von Attac verhindern? Denn Attac steht doch wohl nach wie vor gegen den Lissabonvertrag und damit gegen eine Europa der Konzerne und der Banken?!
Sehr geehrter Herr Pfaffenberger,
dem Vertrag von Lissabon stehe ich kritisch gegenüber. Vor allem wurde darauf verzichtet, den europäischen Binnenmarkt endlich durch starke soziale und steuerliche Regeln zu gestalten. Die Verankerung der Grundrechtecharta ist zwar ein Fortschritt gegenüber dem geltenden Vertrag von Nizza, reicht jedoch nicht aus. Stattdessen bleibt die EU mit dem Vertrag von Lissabon in einem Wettbewerb um die Senkung sozialer Standards gefangen. Das zeigt sich leider auch in einer Serie von aktuellen Urteilen des Europäischen Gerichtshofs gegen die Tarifautonomie und soziale Rechte am Arbeitsplatz. Die Gewerkschaften fordern daher zurecht eine Protokollerklärung zum Vertrag von Lissabon mit einer generellen sozialen Fortschrittsklausel, was ich unterstützte. Das wird jedoch nicht genügen, um den Prozess des Sozialabbaus zu stoppen.
Vielmehr will ich eine demokratische Revision der Verträge zu drängen und zwar unabhängig davon, ob der Vertrag von Lissabon nun ratifiziert wird oder nicht. Diese ist vor allem auch deshalb nötig, weil die demokratischen Verbesserungen im Vertrag von Lissabon gegenüber dem geltenden Vertrag von Nizza nicht ausreichend sind, um die BürgerInnen für Europa zurückzugewinnen. Europa braucht starke soziale, friedlensfördernde und demokratische Veränderungen auch der Vertragsgrundlagen.
Allerdings werde ich, wenn ich ins Europaparlament gewählt werde, leider wenig Möglichkeiten haben, am schlechten Kompromiss des Lissabon-Vertrags etwas zu ändern. Das Europaparlament hat über den Vertrag bereits abgestimmt. Die Ratifizierung in Deutschland ist nun eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts.
Richtig ist, dass die Lissabon-Strategie und vor allem die "Global Europe"-Strategie der EU, den Sozialabbau in sich trägt. Sie zwingt allerdings kein Mitgliedsland zum Sozialabbau. Die Entscheidung für die Agenda 2010 kann somit auch nicht der EU angelastet werden, sondern war eine souveräne Entscheidung von Bundesregierung und Bundestag.
Mit freundlichen Grüßen
Sven Giegold