Frage an Sven-Christian Kindler von Michael E. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Kindler,
wie sollte eine neue Bahnreform ausehen Anstalt des öffentlichen Rechts
und wie sehen Sie Mäglichkeiten das S-BAHN System Hannover zu erweitern
Mit freundlichen grüssen
Michael Ensslen
Sehr geehrter Herr Ensslen,
vielen Dank für Ihre Frage zur Bahnreform.
Damit die Bahn ihren Beitrag zur Verkehrswende leisten kann, braucht es grundsätzliche Änderungen: Erstens sollte die Bahn auf das Gemeinwohl ausgerichtet werden. Das Ziel, mit allen Geschäftstätigkeiten kurzfristig hohe Renditen zu erwirtschaften, hat unter anderem dazu geführt, dass Strecken stillgelegt, Anschlussgleise abgekoppelt und Nachtzüge eingestellt wurden. Die Bahn muss den Reisenden zu fairen Preisen ein komfortables Mobilitätsangebot machen. Sie soll bis 2030 die Fahrgastzahlen und nicht den Gewinn verdoppeln.
In einem zweiten Schritt muss die Rechtsform der Aktiengesellschaft geändert werden. Die Form der AG wurde seinerzeit gewählt, um eine Privatisierung vorzubereiten. Diese ist zum Glück vom Tisch, aber die Rechtsform erschwert für Regierung und Parlament Kontrolle und Steuerung des Konzerns. Gleichzeitig hat die Bahn 579 Tochterunternehmen, in denen sie die Mehrheit hält, und noch einmal 123 Unternehmen mit Minderheitenbeteiligung.
Kontrolle und Steuerung werden so immens erschwert. Die Bundesregierung hat keine Ahnung, wie es um Auslandstöchter oder einzelne Konzernsparten bestellt ist. Die Konzernstrukturen müssen dringend gestrafft werden. Denkbar wäre die Umwandlung der Bahn in eine gemeinnützige GmbH, um mehr Kontrolle zu ermöglichen und die Abkehr von der Gewinnerzielungsabsicht auch in der Rechtsform festzuhalten.
Drittens sollte das Schienennetz einer öffentlichen Steuerung unterstellt werden. Die Bahn selbst kann sich dann auf den Zugverkehr konzentrieren. Der Staat hätte die Möglichkeit, zielgerichtet Investitionen in neue Schienen, in den Erhalt des Netzes, in die Elektrifizierung und Digitalisierung voranzutreiben. Das Geld käme da an, wo es gebraucht wird: in einem leistungsfähigen und belastbaren Netz.
Zuletzt sollte sich die Bahn auf ihr Kerngeschäft in Deutschland konzentrieren. Arriva, die DB-Tochter für den Regionalverkehr im Ausland, ist in 14 europäischen Ländern aktiv. Der Logistikdienstleister Schenker ist in 140 Ländern der Welt mit Lkws und Flugzeugen unterwegs.
Diese expansive Ausweitung der Geschäftstätigkeit der Bahn im Ausland macht keinen Zug in Deutschland pünktlicher, sondern bindet finanzielle Mittel und lenkt die Aufmerksamkeit des Bahn-Managements weg von den Kundinnen und Kunden in Deutschland. Die Bahn sollte ihre Investitionen vor allem im außereuropäischen Ausland auf den Prüfstand stellen.
Wir haben Verkehrsminister Andreas Scheuer diese Vorschläge bereits im Januar 2020 und seit dem in verschiedenen Formen vielfach unterbreitet und uns als Grüne zu ergebnisoffenen Gesprächen über die notwendigen strukturellen Veränderungen bei der Bahn bereit erklärt. Allerdings hat Minister Scheuer bis heute auf keine unserer Initiativen reagiert. Das überrascht besonders, da Andreas Scheuer Ende 2019 während einer Bundestagsrede aller Fraktionen zu Gesprächen über eine Bahnreform für das Jahr 2020 eingeladen hat. Wir Grüne sehen angesichts der Corona-Pandemie und den Auswirkungen auf die Deutsche Bahn eine erhöhte Dringlichkeit sich endlich den Strukturfragen und grundlegenden Problemen der Bahn zu stellen.
Mit freundlichen Grüßen
Sven-Christian Kindler