Frage an Susanne Bay von Sandra F. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Frau Bay,
wie stehen Sie zu der Frage der Einführung einer erneuten "Abwrackprämie" um den Umsatz der deutschen Autoindustrie abzukurbeln ? Wäre es aufgrund der Haltung der Autobauer gegenüber dem deutschen Bürger - gerade was die Einhaltung von staatlichen Vorgaben in puncto Grenzwerte ect. betrifft - sowie der Tatsache, daß gerade auch Ihre Partei wie keine andere für neue Mobilitätskonzepte eintritt, stattdessen eine Mobilitätsprämie einzuführen durch welche auch andere Technologien gefördert werden und die dem Bürger selbst das Wahlrecht lässt und ihm damit auch die Möglichkeit eröffnet in Zukunft vermehr auf Umweltfreundlichkeit zu setzen ? So könnte der Familienvater der bisher mit dem Auto nach Stuttgart gefahren ist und das mit dem "alten" aber technisch einwandfreien Familienauto nun nicht mehr kann, statt dem Kauf eines neuen Autos sich für den Kauf eines S-Pedelecs entscheiden um im Frühjahr und Sommer mit dem Rad und im Winter mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit zu fahren. Begrenzt sich die Prämie von Staatswegen allerdings nur auf ein Verkehrsmittel führt das meiner Meinung nach bei vielen Bürgern zu einer Einseitigkeit im Denken die nicht Ziel der Maßnahme sein kann.
Mit freundlichen Grüßen
S. F.
Sehr geehrte Frau Friedrich,
vielen Dank für Ihre Frage. Sie sprechen ein schwieriges Thema an, für das, wie Sie sicher wissen, von der Bundesregierung nun ein Vorgehen beschlossen wurde. Dennoch bleiben Ihre Fragen zu meiner Meinung dazu natürlich aktuell. Sie schlagen eine Art Mobilitätsprämie vor. Dies finde ich auch unbedingt die richtige Idee. Ich nutze selbst Zug, Fahrrad, gehe zu Fuß und nur in Ausnahmefällen nutze ich das Auto. Deshalb weiß ich auch aus eigener Erfahrung, wie wichtig es ist, dass der ÖPNV sehr gut ausgebaut ist, die Tarife bezahlbar und die Möglichkeiten für Radler*innen und Fußgänger*innen prima sind. Dennoch habe ich, ehrlich gesagt, als Bewohnerin und Abgeordnete einer Region, die so sehr vom Automobil abhängt, wie kaum eine andere, schon auch ein Stück weit nachvollziehen können, dass man über eine „Abwrackprämie reloaded“ nachgedacht hat. Im Fokus stehen dabei gerade nicht nur die großen Automobilfirmen, sondern vor allem die zahlreichen – insbesondere mittelständischen – Betriebe im Bereich der Zulieferer und im Maschinenbau, die im Moment um ihr Überleben kämpfen. An diesen Betrieben hängen zigtausend Arbeitsplätze Es kann nicht unser Ziel sein, dass diese Branche wegbricht, vielmehr müssen wir eine ökologische Transformation weiter vorantreiben.
Für meine Fraktion GRÜNE im Landtag ist deshalb klar: Unsere bisherigen Anstrengungen für ein klimafreundliches Mobilitätszeitalter – was den Automobilbereich betrifft unter anderem mit dem Strategiedialog Automobilwirtschaft – werden wir konsequent weiterverfolgen. Die Transformation in der Automobilindustrie hat eine klare politische Ausrichtung: In Baden-Württemberg soll das schadstofffreie Auto entwickelt und gebaut werden. Wir sichern damit die Mobilität der Zukunft, stärken die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft und setzen uns zugleich und vor allem dafür ein, dass klima- und umweltschädliche Emissionen reduziert werden.
Ein Konjunkturprogramm muss für die Fraktion GRÜNE gleichzeitig ein Innovationsprogramm sein. Das heißt für den gesamten Mobilitätssektor: Investitionen in umweltfreundliche Fahrzeuge, in E-Mobilität, Wasserstoff, in einen modernen öffentlichen Personennahverkehr und autonomes Fahren. Eine Förderung des Radverkehrs findet in Baden-Württemberg durch stets aufgestockte Summen für den Radwegebau sowieso unablässig statt. Bei uns in der Gegend wird zwischen HN und Neckarsulm, weiter Richtung Bad-Wimpfen wird ja demnächst einer der ersten Radschnellwege im Land realisiert.
Beim Austausch der Ministerpräsidenten der Länder, in denen die Automobilwirtschaft mit all ihren Zulieferern eine sehr bedeutende Rolle spielt (Ba-Wü, Niedersachsen und Bayern) wurden auf Drängen unseres Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann drei wichtige Grüne Themen in die Debatte um eine Kaufprämie aufgenommen, die ich ausdrücklich begrüßt habe. Sie setzen wichtige Anreize für saubere Autos:
1. Reform der Kfz-Steuer, die sich am Kohlendioxid-Ausstoß orientiert.
2. Mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung: Dabei setzen wir auf die Batteriezellenforschung und auf die Schlüsseltechnologien Brennstoffzelle und Wasserstoff.
3. Der schnelle Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Mobilität. Baden-Württemberg geht hier mit der Verdoppelung der Ladesäulen im letzten Jahr sowie Regelungen in der neuen Landesbauordnung wegweisend voran.
Ich möchte mich nicht um eine Aussage zu einer Kaufprämie für neue Verbrenner der Generation 6d oder 6d temp drücken. Hier möchte ich darauf hinweisen, dass es sich aus ökologischer Sicht um eine Abwägung handelt zwischen kurzfristigen und langfristigen Effekten. Kurzfristig ist es sicherlich so, dass der ein oder andere schadstoffintensivere Wagen aus dem Verkehr genommen worden wäre zugunsten eines neuen, schadstoffärmeren Verbrenners. Denn es muss beachtet werden, dass die Werte der neuen Verbrennergeneration mit dem WLTP-Zyklus geprüft werden und nicht die alten Emissionswerte gelten, die durch unzulässigen Software-Applikationen der Autohersteller vorgetäuscht wurden. Durch eine Kaufprämie wäre es vermutlich zu einem Vorzieheffekt gekommen. Der dauerhaft wirkende wirtschaftliche Sinn einer solchen Maßnahme wird aber zurecht bezweifelt. Darüber hinaus kommt hier hinzu, dass dies grundsätzlich eine Investition in eine Technologie gewesen wäre, von der man sich im Moment verabschiedet.
Die Koalition in Berlin hat wichtige Anregungen unseres Ministerpräsidenten aufgegriffen, insbesondere bei der Förderung von Elektromobilität und der Innovationsprämie für den Kauf klima- und umweltfreundlicher Elektrofahrzeuge, bei der klimapolitischen Anpassung der Kfz-Steuer und dem weiteren Ausbau der Ladeinfrastruktur. Dies sind wichtige Bausteine für einen erfolgreichen Transformationsprozess im Automobilbereich.
Entscheidend bleibt: Die anderen Bereiche der Mobilität sind elementar wichtig für die Verkehrswende. So haben wir im Land auch ein mit 200 Mio € hinterlegtes Soforthilfepaket für den ÖPNV beschlossen. In Ba-Wü gibt es eine Förderung für E-Lastenräder. Eine Ausweitung auf Familien als Adressaten ist angedacht. Tarife wurden gesenkt und die Infrastruktur für den Verkehrsverbund wird konsequent ausgebaut, damit es tatsächlich eine richtige, klimafreundliche Wahlmöglichkeit gibt, wie man seine Wege zurücklegt.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Bay