Frage an Susanne Bay von Bettina S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Frau Bay,
im November 1918 erhielten Frauen in Deutschland das aktive und passive Wahlrecht. Seither haben Frauen viel erreicht. Sie selbst wurden gewählt, sind Abgeordnete und Mitglied des NSU-Untersuchungsausschusses im baden-württembergischen Landtag.
--> Welche Bedeutung hat das Frauenwahlrecht für sie in Zeiten erstarkender rechter Gruppierungen / Parteien, die erzkonservative Frauen- und Familienbilder propagieren und ihre antifeministische Haltung kaum verbergen?
--> Demokratie im Betrieb - Betriebsratswahlen 2018: Ist die Kandidatur rechter Gruppen ein Thema, welche Position haben Sie als Mitglied im NSU-Untersuchungsausschuss dazu?
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit, mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau S.,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich im Folgenden gerne beantworte.
Das Frauenwahlrecht ist eine der wichtigsten demokratischen Errungenschaften. Dabei darf man nicht vergessen, dass es auf dem Weg dorthin immer wieder herbe Rückschläge gab, die Frauen dabei aber nie aufgegeben haben. Allerdings frustriert mich natürlich die Tatsache, dass Frauen nicht nur im Bundestag, sondern auch im baden-württembergischen Landtag noch immer deutlich unterrepräsentiert sind, obwohl sie den größeren Bevölkerungsanteil ausmachen. Diese Zahlen spiegeln sich besonders in Parteien wie der AfD wider, die mit nur zehn weiblichen von insgesamt 94 Abgeordneten im Bundestag und mit zwei von 20 Angeordneten im Landtag vertreten ist.
Bewusstes Zurückdrängen der Frauen in ihre scheinbar angestammte Rolle außerhalb öffentlicher Ämter wird leider allein durch das Frauenwahlrecht nicht verhindert. Es ist wichtig, dass sich die Programme der Parteien noch stärker mit Themen auseinandersetzen, die solche rückschrittlichen Wege nicht zulassen, sondern die Gleichberechtigung in allen Lebensbereichen vorantreiben. Jedoch braucht es dafür eine umfassende Interessensvertretung und wiederum mehr Frauen in den Parteien und Parlamenten: Wir Grünen in Baden-Württemberg setzen uns deshalb für eine Änderung des hiesigen Landtagswahlrechts ein. Wir Frauen dürfen nicht aufhören, uns gegen Benachteiligungen und für gleiche Rechte, für gleiche Bezahlung, für gute Betreuungsangebote oder das Teilen der Aufgaben im familiären Umfeld einzusetzen.
Die Kandidatur rechter Gruppen für Betriebsräte ist ein Thema, das uns bekannt ist und uns Sorgen bereitet. Mittlerweile hat sich ein nicht zu unterschätzendes Netzwerk aus nationalistischen Aktivist*innen gebildet, die nicht nur im Parlament, sondern auch sonst in der Gesellschaft Einfluss nehmen. So auch einer der geladenen Zeugen im NSU-Untersuchungsausschuss, der über die Liste „Zentrum Automobil“ in den Betriebsrat bei Daimler in Untertürkheim gewählt worden ist, um so den Erfolg der AfD zu nutzen und wiederum in den Betrieben zu verfestigen. Die Beschäftigten und die Gewerkschaften müssen hier in erster Linie Flagge zeigen und deutlich machen, dass rechte Aktivist*innen nicht glaubwürdig die Interessen der Beschäftigten – darunter Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund oder Muslim*innen – vertreten können.
Generell gilt für uns Politiker*innen, rechten Gruppierungen da zu widersprechen, wo sie sich von der freiheitlich-demokratischen Grundordnung abwenden und gesellschaftliche Themen für den eigenen Erfolg polemisch statt sachlich behandeln. Gleichzeitig ist es wichtig ihren potenziellen Anhänger*innen zu zeigen, dass weder Abschottung noch Nationalismus Lösungen beinhalten.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Bay