Frage an Susann Rüthrich von Frank B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Frau Rüthrich,
wie können Sie, als Sozialdemokratin, einem völkerrechtswidrigen Militäreinsatz der Bundeswehr in Syrien zustimmen? Reflektieren Sie eigentlich Ihre Entscheidungen? Sind Sie sich bewusst, dass Ihr Handzeichen in diesem Fall zivile Menschenleben kosten wird, Männer Frauen und Kinder? Ist Ihnen klar, dass Ihre Zustimmung noch mehr Menschen in die Flucht über das Mittelmeer treibt?
Auf Ihre Antworten bin ich gespannt.
Sehr geehrter Herr Benndorf,
wir alle blicken dieser Tage mit großer Sorge auf die instabile politische Lage in vielen Ländern des Nahen Ostens und müssen mit Grauen den anhaltenden und verheerenden Bürgerkrieg in Syrien beobachten, der bis heute bereits über 250.000 Menschen das Leben gekostet und vielen mehr großes Leid zugefügt hat. Es ist in dieser Situation zweifelsohne Aufgabe der internationalen Gemeinschaft und mit ihr der Bundesrepublik Deutschland, unser Möglichstes zu tun, um das Morden in Syrien zu beenden und Sicherheit und Stabilität zurück in die Region zu bringen.
In den letzten Monaten hat darüber hinaus ein Strategiewechsel seitens des sogenannten Islamischen Staats stattgefunden. Neben dem Aufbau einer Terrorherrschaft des selbsterklärten Kalifats in Syrien und im Irak, verüben der IS und sich zu ihm bekennende KämpferInnen international Anschläge, darunter die Anschläge vom 13. November in Paris. Diese Attacken richteten sich nicht nur gegen Frankreich, sondern gegen unsere gemeinsamen Werte von Freiheit, Demokratie und Liberalität sowie unsere Art zu leben. Sie erfordern deshalb die Solidarität und das Zusammenstehen aller Europäerinnen und Europäer. Frankreich hat in dieser Situation die Bundesrepublik Deutschland gebeten, neben der Fortsetzung ihrer diplomatischen Bemühungen auch militärisch den Kampf Frankreichs und der internationalen Allianz gegen den sog. Islamischen Staat zu unterstützen. Nach intensiver Prüfung hat die Bundesregierung ihren Willen bekundet, dazu Aufklärungs- und Luftbetankungsflugzeuge sowie eine Fregatte zum Schutz eines französischen Flugzeugträgers zur Verfügung zu stellen.
Ich bin überzeugt, dass nur eine politische Lösung zur Wiederherstellung von Sicherheit und Stabilität in Syrien führen kann. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat mit der Resolution 2170 vom 15. August 2014 und der Resolution 2199 vom 12. Februar 2015 sowie mit der Resolution 2249 vom 20. November 2015 wiederholt festgestellt, dass von der Terrororganisation ISIS eine Bedrohung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit ausgeht. Die Bundesregierung – und allen voran Außenminister Frank-Walter Steinmeier – hat sich deshalb für eine stärkere Rolle der Vereinten Nationen ebenso eingesetzt, wie sie im Rahmen der Syrien-Konferenzen in Wien auf die Einbeziehung aller relevanten Akteure und diplomatische Fortschritte zur Lösung der Syrienkrise gedrungen hat. Ich unterstütze dieses fortgesetzte Bemühen der Bundesregierung um politische Lösungen. Dabei muss es in einem ersten Schritt vor allem darum gehen, den IS von Finanzströmen abzuschneiden, die Lieferung von Waffen und den Zustrom von KämpferInnen zu unterbinden sowie weitere Ölexporte des IS zu verhindern. Insbesondere Saudi-Arabien und der Türkei kommt dabei eine zentrale Rolle zu.
Die Entscheidung über den „Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen durch die Terrororganisation IS auf Grundlage von Artikel 51 der Satzung der Vereinten Nationen in Verbindung mit Artikel 42 Absatz 7 des Vertrages über die Europäische Union sowie den Resolutionen 2170 (2014), 2199 (2015) 2249 (2015) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen“ ist mir auch nach sorgfältiger Abwägung und ausführlichen Gesprächen nicht leicht gefallen. Schlussendlich habe ich mich dafür entschieden, dem Mandat in der Abstimmung des Deutschen Bundestages meine Zustimmung zu geben. Um den Erfolg diplomatischer Lösungen nicht zu verunmöglichen, ist es aus meiner Sicht geboten, eine weitere Ausbreitung und Stabilisierung des selbsternannten Islamischen Staates auch militärisch einzudämmen.
Für mich steht dabei außer Frage, dass die laufenden diplomatischen Bemühungen um eine politische Konfliktregulierung unvermindert fortgesetzt und weiter intensiviert werden müssen. Die Mörderbanden des IS können dabei jedoch kein Verhandlungspartner sein. Ebenso wenig wird es eine Zukunft Syriens mit Diktator Baschar al-Assad geben können, der gegen die eigene Zivilbevölkerung mit chemischen Waffen und Fassbomben vorgegangen ist. Dies muss sowohl im militärischen Vorgehen der Bundeswehr, als auch in den weiteren diplomatischen Initiativen der Bundesregierung Berücksichtigung finden. Parallel zu den Bemühungen um eine Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen in Syrien ist es unsere vordingliche Aufgabe, unseren Einsatz zur Linderung der humanitären Folgen des Konflikts in Syrien, in den Nachbarländern und durch die Aufnahme von Geflüchteten fortzusetzen und auch in diesem Bereich auf ein verstärktes internationales Engagement, z.B. durch eine auskömmliche Finanzierung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen, zu drängen. Denn: Die Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak werden von den gleichen Terroristen bedroht, die auch uns und unsere Freiheit angreifen. Nur eine politische Gesamtstrategie, deren Teil ein militärisches Vorgehen gegen den IS sein muss, wird zu nachhaltigen Erfolgen bei der Eindämmung und Bekämpfung des internationalen Terrorismus und des sogenannten Islamischen Staates führen. Dafür werde ich mich als Abgeordnete des Deutschen Bundestages weiter einsetzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Susann Rüthrich