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Steve Grundig
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Frage von Alexander P. •

Wie möchten Sie sich dafür einsetzen das unser Schulsystem in Zukunft stabiler und erfolgreich wird (zum Wohle der Schüler)?

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Bündnis 90/Die Grünen

Ich bin der Meinung, die Schulinhalte müssen überarbeitet werden. Hier kann man nach den Grundfähigkeiten der Klasse 1-6 stark ausdünnen und man sollte sich wirklich auf Basics in verschiedenen Richtungen stützen. Vertiefung kann dann mit selbstgewählten Fachrichtungen folgen (aber eine echte Wahlfreiheit nach eigenem Interesse und Stärken; nicht nur das "abwählen" eines ungeliebten Fachs). Damit würde man dem Lehrermangel entgegentreten, wenn einfach weniger Stunden geplant werden und mehr Freiräume zu Entwicklung der Jugendlichen gelassen wird.
 
Wenn ich daran denke, wie wenig ich selbst aus dem Unterricht in Bio, Physik, Chemie, Literatur, Mathe etc. der Klassen 7-12 bis heute behalten habe, blicke ich enttäuscht auf verschwendete Jahre. Kompetenzen wie Selbstwirksamkeit, Projekt- und Selbstmanagement, Erkennen des eigenen Lerntyps usw. habe ich erst mühsam im Studium mit selbst beigebracht. Das sind heute meine Werkzeuge, um durchs Leben zu kommen oder mir gezielt neues Wissen anzueigenen. Das Reinprügeln von Lernstoff und ein Angstregime mit Noten hat hingegen wenig gebracht. 

Klar ist auch: Schulen müssen sich Wandeln, um den Anforderungen einer modernen, nachhaltigen, digitalen und vielfältigen Gesellschaft und Wirtschaft gerecht zu werden. D.h. für mich bspw. neue Lernformate anbieten, Lehrkräfte können eher als Coach auftreten und die Eigenverantwortung junger Menschen stärken, bspw. indem man gemeinsame Lernziele aufstellt. Es gibt einige sehr gute Modellschulen wo das klappt (verlinkt ist nur eins von vielen Beispiele). Damit es flächendeckender ausgerollt wird, muss das Bildungsministerium die Leine länger lassen und den Akteuren (Lehrkräften, Sozialarbeiter*innen, Schulleitung vor Ort usw.) mehr Spielraum lassen. Daraus kann ein Wandel passieren und man kann regionale Spezifika besser adaptieren. In der Oberlausitz finde ich, braucht es als zweite Fremdsprache polnisch, tschechisch oder sorbisch im Angebot anstatt französisch oder spanisch.

Und Schulen müssen attraktive Orte für Lehrpersonal und Schüler*innen sein: modern, sauber, funktionstüchtig, digital angebunden und nachhaltig gestaltet. Hier muss investiert werden. (Schuldenbremse reformieren für sinnvolle Zukunftsinvestionen!)

Für die Ausbildung von Lehrkräften und Sozialassitenz gilt, dass wir die Zugänge vereinfachen müssen (geringerer NC, mehr Studienplätze, frühere Praxiseinsatz in der Schule für einen Realitätscheck!) und Ausbildung übers Land verteilen müssen. Also bspw. auch Ausbildungsstandorte in der Oberlausitz schaffen und stärken, sodass Personal direkt in der Region praktische Erfahrungen sammeln können und dann hier bleiben möchte. 

Abschließend: Ich bin der Überzeugung, würden wir Schule mit Schulpflicht, so wie sie heute ist, Erwachsenen anbieten, hätten wir einen schnell einen Generalstreik. Ich will nicht die Schulpflicht abschaffen, aber sage, Schüler*innen werden als Menschen nicht ernst genommen! Drei Beispiele: Das starre Lernen nach Stundenplan pro Jahrgang nur mit geringsten individuellen Anpassungen entspricht nicht dem menschlichen Naturell. Ebenso ein Schulbeginn um 07:30 Uhr, was bei etwa der Hälte der jungen Menschen einfach gegen den Biorhymus arbeitet. Ich sehe auch wenig Sinn darin, sich im Laufe eines Tages im 45Min.-Takt mit 6-8 verschiedenen Fächern zu beschäftigen, anstatt länger an einer Aufgabe zu arbeiten, welche verschiedene Disziplinien kombiniert, was Lebensnäher wäre. Erwachsende würden sich solche Zustände vielleicht 3 Monate gefallen lassen, aber keine 12 Jahre.