Frage an Stephan Weil von Bert R. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Weil,
meine Frage ist eine Grundsatzfrage bezüglich Freihandelsabkommen wie TTIP oder CETA. Solche Freihandelsabkommen beinhalten in den meisten Fällen internationale Schieds- bzw. Handelsgerichte, wo Investoren Staaten verklagen können. Bei meiner Frage geht es mir nicht um Einzelheiten wie z.b. ob die Richter von den Staaten oder von den Unternehmen ausgesucht werden. Meine Frage ist ganz grundsätzlich: Wozu benötigt man solche Gerichte überhaupt? Meinem Rechtsempfinden widerspricht allein die Existenz eines wie auch immer gearteten Gerichts dieser Art aus zwei Gründen:
Erstens, jede Investition trägt Chancen und Risiken. Wenn ich mir ein Grundstück kaufe, hoffe ich, dass es mit den Jahren im Wert steigt. Es kann aber auch komplett den an Wert verlieren. Sollte das Grundstück Wertlos werden, kann ich ja auch nicht die Bundesregierung verklagen und den Wertverlust vom Steuerzahler zurück fordern. Gleiches sollte auch für internationale Unternehmen gelten: wenn die Bürgerinnen und Bürger sich z.B. gegen Atomkraft entscheiden, sollten die dadurch den Energieunternehmen entstehenden Kosten nicht vom Steuerzahler übernommen werden müssen; der Renditeausfall durch gesetzgeberische Maßnahmen ist nun einmal ein Risiko, was der Investor tragen muss.
Zweitens, wer in Deutschland Umsätze und Profite erzielt, sollte sich auch mit der hiesigen Justiz auseinander setzen. Ein zusätzliches Gericht auf internationaler Ebene würde ja nahelegen, dass Sie kein Vertrauen in deutsche Gerichte haben, was ich nicht nachvollziehen kann. Ich halte die deutsche Justiz in allen Bereichen für ausreichend gewappnet.
Wie stehen Sie, insbesondere als Jurist, zu diesem Thema?
Beste Grüße,
B. R.
Sehr geehrter Herr R.,
vielen Dank für Ihre Anfrage bei Abgeordnetenwatch. Niedersachsen hat leider keinen direkten Einfluss auf Verhandlungen über Freihandelsabkommen wie TTIP und CETA. Ihre Sorge bezüglich der Schiedsgerichtsbarkeit in solchen Abkommen teilen wir. Die Bundes-SPD hat auf ihrem Parteikonvent in Wolfsburg am 19.09.2016 daher auch beschlossen, CETA nur unter bestimmten Voraussetzungen mittragen zu können. Hierzu gehört auch, dass eine Schiedsgerichtsbarkeit nicht einseitig den Investitionsschutz befördern darf. Vielmehr soll sichergestellt werden, dass eine Schiedsgerichtsbarkeit lediglich sicherstellt, dass ausländische Investoren nicht gegenüber inländischen diskriminiert wird, ihnen folglich die gleichen Rechte zustehen wie inländischen. Darüber hinaus sind in dem Beschluss des Parteikonvents noch mehrere Standards (Arbeits-, Sozial-, Umweltstandards sowie Vorsorgeprinzip) festgelegt, die nicht unterschritten werden dürfen. Die SPD-Regierung in Niedersachsen hat jedoch nur Einfluss über eine mögliche Abstimmung im Bundesrat. Eine solche ist in nächster Zeit jedoch nicht ersichtlich. Die Landesregierung wird jedoch im Vorfeld einer solchen Abstimmung bei den anderen Ländern für ihre Position werben.
Mit freundlichen Grüßen
Team Weil