Frage an Stephan Weil von Per G. bezüglich Jugend
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Weil,
meine Frage handelt von der Kinderarmut in Braunschweig, die schon seit vielen Jahren in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens kursiert. Seit ca. 2004 nach seinem Amt als Probst der Domgemeinde St. Blasii kümmert sich Herr Armin Kraft (Vorgänger von Herrn Hempel am Dom St. Blasii) um die Thematik in Braunschweig. Im Jahre 2009 gab es in der Braunschweiger Weststadt ca. 44 % Kinderarmut, im Braunschweiger Osten und Süden dagegen nur jeweils ca. 20 % Kinderarmut und im Braunschweiger Norden ca. 10 % Kinderarmut. Was soll daraus werden? Welche Massnahmen können diese Situation verbessern? Was plant die neue Landesregierung dagegen zu tun? Soll aus unseren Kindern eine "verlorene Generation" werden, vergleichbar mit Gegenden der Welt, wo Armut und Arbeitslosigkeit eine Teufelskreis bilden bis hin zu instabilen Staaten.
In Südkorea wird pro Kind doppelt so viel für dessen Schulbildung ausgegeben wie in Deutschland (laut Sendung Auslandsjournal bzw. Weltspiegel), wobei laut OECD Liste Südkorea bereits auf Platz 30 liegt von ca. 100 Industrieländern und Schwellenländern. In Südkorea werden Handys, Fernseher und Autos gebaut, die mit Produkten aus Deutschland weltweit konkurrieren. Wielange halten wir unseren Platz in der OECD Liste noch? Manchmal erscheint es mir (bei TV Beiträgen von Hallo Niedersachsen vom NDR Fernsehen), als ob die Kinderarmut in Hannover manchen Landespolitikern (zumindestens der letzten Landesregierung) in Hannover wichtiger erscheinen würde, als die Kinderarmut in Oldenburg, Osnabrück oder Braunschweig! Bitte widerlegen Sie mir diesen Eindruck. Ich freue mich, wenn meine Rente von möglichst vielen berufstätigen Jungen von Heute verdient wird, vorausgesetzt, es gibt den Generationenvertrag nach 2030 noch, wo Junge für die Rente der Alten arbeiten werden.
Vielen Dank für eine Antwort
Freundliche Grüße
aus Braunschweig
Per Grunenberg
Sehr geehrter Herr Grunenberg,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ob ein Kind von Armut bedroht oder betroffen ist, hängt von der finanziellen Situation der Familie ab, in der es aufwächst. Die Armutsgefährdungsquote lag 2011 in Niedersachsen insgesamt bei 15,2 Prozent. Niedersachsen liegt mit dieser Zahl etwa auf dem Niveau des Bundes. Besonders stark von Armut bedroht sind nach wie vor: Erwerbslose (56,7 Prozent), Alleinerziehende (44,2 Prozent), Nichtdeutsche (35,5 Prozent), Personen mit Migrationshintergrund (28,9 Prozent), Haushalte von Geringqualifizierten (28,9 Prozent) und Familien mit drei und mehr Kindern (26,8 Prozent). Quoten über dem niedersächsischen Landesdurchschnitt gab es in Ost- und Südniedersachsen. Bekannt ist die wirtschaftlich und demografisch eher negative Entwicklung in Südniedersachsen sowie im Raum um die Städte Hannover und Braunschweig.
Armut definiert sich aber nicht nur über mangelndes Einkommen, sondern beinhaltet auch einen Mangel an Teilhabechancen am gesellschaftlichen Zusammenleben. Das verfügbare Einkommen kann dabei sowohl eine Ursache als auch eine Folge der Lebenssituation sein. Armutsbekämpfung beschränkt sich nicht auf die Verbesserung der Einkommenssituation, sondern bemüht sich auch um eine Bekämpfung von Armutsfolgen. Hierbei handelt es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Neben dem Land Niedersachsen sind auch die Kommunen in der Pflicht, vor Ort geeignete Maßnahmen zu entwickeln, um Armut, z. B. in den Braunschweiger Stadtteilen, zu bekämpfen.
Die neue Niedersächsische Landesregierung stellt sich dieser Herausforderung. Die Entscheidung für ein Leben mit Kindern darf nicht länger gleichbedeutend mit erhöhtem Armutsrisiko sein. Das Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung greift bei diesem Strukturdefizit viel zu kurz. Es lindert zwar die individuelle Problematik, nicht aber die grundsätzlichen Defizite. Individuelle Möglichkeiten verbessern nicht die Möglichkeiten der Pädagoginnen und Pädagogen in Kindertagesstätten und Schulen in der nötigen Weise und für alle Kinder. Hier besteht zusätzlich Handlungsbedarf.
Ungeachtet dessen sollte den Familien im Leistungsbezug nach dem SGB II oder SGB XII durch eine Erhöhung der Regelleistungen eine angemessene Bedarfsdeckung ermöglicht werden. Auch dafür setzt sich die Landesregierung künftig ein.
Die berufliche Integration benachteiligter Jugendlicher, die ohne qualifizierende und sozial stabilisierende Unterstützung keine Chance am Ausbildungs- und Arbeitsmarkt hätten, bleibt auch weiterhin ein besonderer Schwerpunkt niedersächsischer Jugendpolitik. Um die Arbeit unserer Jugendwerkstätten dauerhaft zu sichern, wird die neue Landesregierung auf eine Korrektur der SGB II-Instrumentenreform drängen. Auch die Arbeit unserer niedersächsischen Pro-Aktiv-Center wird fortgesetzt und gestärkt.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Weil