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Stephan Hestermann
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Frage von Pascal M. •

Frage an Stephan Hestermann von Pascal M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Hestermann

ich habe an sie, als Kanidat im Wahlkreis 67 Bodensee, ein paar Fragen. Ich währe sehr dankbar wenn sie jede Frage aus ihrer sicht und aus sicht der Partei beantworten könnten.

1. Wie stehen sie/ihre Partei zum ausbau von B30/B31?
2. Wie stehen sie/ihre Partei zur Elektriefizierung der Süd-Bahn?
3. Wie stehen sie/ihre Partei zu Nachtflügen am Friedrichshafener Flughafen?
4. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema Beamtenbestechung, bzw was wollen sie dagegen unternehmen? (siehe auch http://108e.de/ )
5. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema ACTA? (siehe auch http://www.stopp-acta.info/ )
6. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema ELENA? ( siehe auch http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/ELENA )
7. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema Zugangserschwernisgesetz? ( siehe auch http://ak-zensur.de/gruende/ )
8. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema Vorratsdatenspeicherung? (siehe auch http://www.vorratsdatenspeicherung.de )
9. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema Fraktionszwang, bzw. Würden sieh nach fraktionsmeinung abstimmen?
10. Wie stehen sie/ihre Partei zum Thema Bürgerbeteiligung, bzw Open-Gouverment? ( siehe auch http://opendata-network.org/2010/02/8-open-government-data-principles-vollstaendigkeit/ )

ich hoffe auf baldige und vollständige Antwort.

MFG Pascal Manner

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Antwort von
PIRATEN

Sehr geehter Herr Manner,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne vollständig, und ich hoffe auch
bald genug (denn beides zusammen hat sich leider etwas gebissen),
beantworten möchte:

1. Der Ausbau B30/31 ist zweifelsohne dringend geboten, das weiß wohl jeder, der in der Bodenseeregion lebt und mit den vollkommen unbefriedigenden "Stummelsituationen" - Überlingen West, Ravensburg Süd, Friedrichshafen Nord - konfrontiert ist. Es wäre von mir populistisch, jetzt auch noch in den Chor der Politiker einzufallen und hierzu Sonntagsreden zu schwingen - die kommenden Wahlen sorgen schon dafür, daß die alle, egal welcher Coleur, die berechtigten Forderungen der Bevölkerung aufgreifen. Ihre Untätigkeit zwischen den Wahlen spricht jedoch eine eigene Sprache.

2. Die Elektrifizierung der Bahnstrecken unserer Region wäre immens wichtig für unsere Anbindung an den internationalen Zugverkehr und auch ein Beitrag zu einem umweltschonenderen Einsatz. Ich befürchte allerdings eine weitere Zurückstellung, da die Bahn jetzt ihr Geld in Stuttgart beerdigen will, was auch unsere Partei vehement bekämpft. Außerdem hat die Bahn einen enormen Instandhaltungs- und Modernisierungsstau, ausgelöst durch die jahrelange Mehdornisierung der Bahn. Obendrein werden die Kommunen an der Strecke hohe Kosten zu stemmen haben, da zahlreiche Brücken zu niedrig sind und ersetzt werden müssen. Gegen eine jeweilige Tieferlegung wird sich die Bahn mit Händen und Füßen wehren.

3. Auch wir setzen uns für die Nachtruhe der Anwohner in den Einflugschneisen ein, und ich hoffe, daß uns das möglichst lange gelingt, da die Belastung des Luftraums nicht geringer wird. Das muß sich jeder vor Augen halten, für den es zur Selbstverständlichkeit geworden ist, ein- oder mehrmals im Jahr in den Urlaub zu jetten. Ich persönlich habe etwas gegen das Sankt-Florians-Prinzip, mit dem viele gerne unangenehme Lasten bei anderen (nicht) sehen.

4. Sie fragten nach meiner/unserer Haltung zur Beamtenbestechung, zitierten jedoch die Initiativen verschiedener Gruppen zur Verschärfung des StGB §108e. Dieser behandelt jedoch die Abgeordnetenbestechung, wodurch ich davon ausgehe, daß Sie diese gemeint haben. Auch wir setzen uns vehement für eine Verschärfung dieses Paragraphen ein, der viel zu kurz greift, da er weder die Bestechung über die Vorteilsnahme von oder zugunsten Dritter (Ehefrau, Kinder usw.) oder die nachträgliche Bestechung (Dankeschöngeschenk/-spende) noch den Kauf der Stimme bei Abstimmungen in den Fraktionen (Fraktionszwang - ein absolutes NoGo bei den PIRATEN) unter Strafe stellt.

5. Das Thema ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement) ist leider nur sehr wenigen Bürgern bekannt. Es handelt sich hierbei um ein internationales Handelsabkommen, das ursprünglich angelegt war, um die schamlose chinesisch Produktkopiererei zu bekämpfen. Hieraus wurden jedoch hochgeheime Verhandlungen (jeder Teilnehmer muß eine Geheimhaltungsklausel unterschreiben) mit dem Ziel, das gesamte Internet der Verfügungsgewalt der Rechteverwertungsindustrie zu unterwerfen. Zur Durchsetzung von Urheberrechtsansprüchen im Internet auf internationaler Ebene ist unter anderem vorgesehen, daß auch die Internetdienstanbieter für von ihren Kunden begangene Urheberrechtsverletzungen als Störer haftbar gemacht werden können. Dieser Verantwortung sollen sie sich nur entziehen können, wenn sie sich verpflichten, den Datenverkehr ihrer Kunden zu überwachen und ihnen gemäß dem umstrittenen Three-Strikes-Prinzip den Internetzugang nach drei Verstößen gegen das Urheberrecht zu sperren. Auch Anstiftung und Beihilfe zu Urheberrechtsverletzungen soll in Zukunft strafbar sein. Neue Strafrechtsnormen, wie die aus Artikel 2.14 („Kriminelle Vergehen“) des ACTA-Entwurfs, würden eine Umschreibung des Unionsrechts durch den Vertrag bedeuten. Es ist essentieller Bestandteil der PIRATEN-Politik, dagegen vorzugehen, und daher ursprünglicher Grund unserer politischen Gegner, uns der Piraterie zu bezichtigen, was wir konterkarieren, indem wir uns PIRATEN nennen.

6. ELENA - für „elektronischer Entgeltnachweis“ halten wir in der derzeit geplanten bzw. bereits anlaufenden Form für höchst problematisch: Die millionenfache Sammlung von Arbeitnehmerdaten bei der Zentralen Speicherstelle ist unserer Meinung nach eine unzulässige Datenspeicherung auf Vorrat, da nicht abzusehen sei, ob die Daten überhaupt jemals benötigt werden. In dem Datensatz werden nicht nur Name, Geburtsdatum, Versicherungsnummer, Adresse etc. erfragt, sondern auch Fehlzeiten, Abmahnungen und mögliches „Fehlverhalten“. Als Begründung wird angegeben, diese Angaben wären für eine Entscheidung über eventuelle Sperrzeiten nötig. Gemäß § 99 Abs. 4 SGB IV haben nur die in das Verfahren integrierten abrufenden Stellen Zugriff auf die Daten. Zugriffe von Arbeitgebern oder Finanzbehörden sowie eine Beschlagnahme der Daten durch eine Staatsanwaltschaft sind explizit ausgeschlossen - aber wie schnell ist das geändert? Eine Abstimmung im Parlament mit verdeckten Vorbereitungen nach bekanntem Muster, und schon sind diese Daten zugänglich für Stellen, die jetzt noch außen vor sind.

7. Die Piratenpartei Deutschland hat das Gros der Stimmen zur Verfassungsklage gegen die Vorratsdatenspeicherung gestellt. Doch nach wie vor bemühen sich die "etablierten" Parteien, allen voran die CDU mit ihrem Vorreiter Herrn Bosbach, diese Datenspeicherung, die nie ein Verbrechen verhindern kann, durch irgendwelche Hintertüren doch noch umzusetzen. Ich muß hier einmal ein großes Lob an unsere Bundesjustizministerin Frau Leutheuser-Schnarrenberg loswerden, die sich hier fast in PIRATEN-Manier auch gegen Teile ihrer eigenen Partei (deren Abstimmungsverhalten Bände spricht) zur Wehr setzt.

8. Das Zugangserschwernisgesetz ist ein wohl einmaliger Vorgang deutscher Rechtsgeschichte: Unser höchstes Parlament beschließt gegen die Warnungen zahlreicher Fachleute aus purem Populismus ein Gesetz, das anschließend durch Verwaltungsverordnung außer Kraft gesetzt wird, da es vollkommen unwirksam ist. Man kann im Internet niemanden, der auch nur halbwegs damit umgehen kann, durch ein Stoppschild aufhalten und die Nutzung rechtswidriger Seiten verhindern. Das wäre, als ob man einen Roman unkenntlich machen wollte, indem man das Inhaltsverzeichnis herausreißen würde. Es hilft nur die Löschung dieser Seiten, wofür wir uns mit allen zu Gebote stehenden Mitteln einsetzen.

9. Ihre Frage zum Fraktionszwang habe ich hoffentlich schon unter Punkt 4 beantwortet. Jeder Abgeordnete ist gemäß Verfassung bei Abstimmung ausschließlich seinem Gewissen unterworfen, und dieses ist für mich und alle PIRATEN ausschlaggebend. 10. Wir wollen mithelfen, die Forderungen des Vereins "Mehr Demokratie e.V." nach einer Senkung der Hürden für Volksbegehren durchzusetzen. Niemand kann in 14 Tagen 1.000.000 Unterschriften sammeln. Eine Frist zur Sammlung von Unterschriften von 5% der Wahlberechtigten (z.Zt. ca. 376.000) innerhalb von 6 Monaten halten wir für angemessen. Außerdem muß jedes zugelassene Volksbegehren im Landtag öffentlich behandelt werden. Wir werden eGovernment fördern unter Beachtung der Prinzipien der Datensparsamkeit und Datenvermeidung.

Verzeihen Sie mir, daß ich komplexe Themen nicht einfach mit kurzen Worten
beantworte, dazu sind sie zu wichtig. Lieber dauert es ein paar Tage mehr,
in denen ich Sie und alle anderen Interessierte auf die Folter spanne.

Mit freundlichen Grüßen
Stephan Hestermann