Frage an Stephan Boyens von Guido L. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Boyens,
das AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland sagte am 02.09.17 beim sog. AfD-Kyffhäuser-Treffen in Thüringen, dass die Rolle deutscher Soldaten im 2. Weltkrieg neu bewertetet werden und dass "ein Schlusstrich" unter die deutsche Nazi-Vergangenheit gesetzt werden muss (siehe http://www.spiegel.de/politik/deutschland/alexander-gauland-provoziert-mit-rede-zu-deutschlands-nazi-vergangenheit-a-1167750.html und http://www.faz.net/aktuell/politik/bundestagswahl/afd-alexander-gauland-relativiert-verbrechen-der-wehrmacht-15199412.html ).
Unstrittig dürfte sein, dass deutsche Wehrmachtssoldaten während des 2. Weltkriegs systematisch Gräueltaten an der Zivilbevölkerung und Kriegsgefangenen begangen haben (siehe z.B. http://www.zukunft-braucht-erinnerung.de/systematische-verbrechen-der-wehrmacht/ , https://www.welt.de/geschichte/zweiter-weltkrieg/article114693474/Diese-Verbrechen-begingen-Deutsche-in-Russland.html , http://www.n-tv.de/leute/buecher/Die-Plaudereien-der-Wehrmachtssoldaten-article3624951.html und https://de.wikipedia.org/wiki/Verbrechen_der_Wehrmacht ).
Meine Fragen:
- Distanzieren Sie sich vom AfD-Vorstandsmitglied Alexander Gauland?
- Befürworten Sie ein Parteiausschlussverfahren gegen A. Gauland wg. dessen jüngsten Äußerungen zur Rolle der Wehrmacht im 2. WK?
In Erwartung Ihrer Antwort vor den Bundestagswahlen am 24.09.17 verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
G. L.
Sehr geehrter Herr L.,
danke für Ihre Anfrage.
Lassen Sie mich vorab eines feststellen: Deutsche Soldaten haben im Zweiten Weltkrieg große Schuld auf sich geladen, gegen geltendes Recht verstoßen und zahllose Menschenleben auf dem Gewissen. Die von Ihnen beigefügten Quellen geben davon Zeugnis, es handelt sich hierbei um historische Tatsachen. Diese werden auch von Herrn Gauland nicht bestritten.
Gleichwohl gilt es auch festzustellen, dass nicht alle Soldaten der Wehrmacht Kriegsverbrecher waren und pauschal als solche verurteilt werden können.
Einzelne militärische Operationen und Feldzüge (z. B. Generalfeldmarschall Rommel in Afrika) stellen für sich betrachtet eine militärische Leistung dar, der nicht nur von den damaligen Gegnern sondern auch darüber hinaus bis heute Respekt gezollt wird. So werden bis heute einzelne Feldzüge der Wehrmacht von Militärakademien in verschiedensten Ländern studiert und analysiert und als Leistung anerkannt.
Was den Ersten Weltkrieg angeht, entspricht eine einseitige Verurteilung nur der deutschen Truppe nicht den Tatsachen. Hier gab es Licht und Schatten auf allen Seiten.
Die Aussagen von Herrn Gauland sollten insofern differenziert betrachtet werden.
Einen pauschalen Schlussstrich unter die NS-Vergangenheit zu ziehen halte ich für falsch, weil schlicht nicht durchführbar. Geschichte wirkt immer in die Gegenwart. In diesem Punkt bin ich nicht auf einer Linie mit Herrn Gauland.
Gleichwohl gab es in beiden Weltkriegen auch militärische Operationen und Talente (Rommel, der "Rote Baron"), die für sich genommen eine besondere Leistung darstellen und für die man Stolz empfinden kann. In diesem Punkt kann ich Herrn Gauland folgen.
Ein Parteiausschlussverfahren vermag ich aus den Äußerungen von Herrn Gauland nicht abzuleiten.
Zu guter Letzt noch ein Netzfund zum Thema Leistungsfähigkeit und Kampfkraft der Wehrmacht. (Die Quelle konnte ich nicht auf Seriosität überprüfen).
Die Ausführungen legen zumindest nahe, dass die Wehrmacht zur damaligen Zeit eine hocheffiziente und effektive Armee war, deren Leistung weit überdurchschnittlich war.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Boyens
Kampfkraft der Wehrmacht im Westen 1944/45
Nach Berechnungen der US-Army waren die Ergebnisse der Gefechte im Zweiten Weltkrieg nur möglich, wenn die Soldaten der Wehrmacht – jeder Mann oder jede Einheit – um 20% bis 30% effektiver waren als die anglo-amerikanischen Truppen, welche ihnen gegenüberstanden.
Wenn wir die Anzahl der Truppen gegeneinander aufrechnen, so verursachten die deutschen Bodentruppen bei den anglo-amerikanischen Verbänden immer Mann für Mann um etwa 50% höhere Verluste zu, als sie selbst erlitten. Als Verluste gelten im Übrigen immer Gefallene, Verwundete und Kriegsgefangene auf dem Schlachtfeld, jedoch keine Kranken u.ä.
Dies war der Fall, obwohl die Wehrmacht bei der Gesamtstärke zahlenmäßig weit unterlegen war und dies traf sowohl bei der Verteidigung als auch beim Angriff der deutschen Truppen zu. Dazu spielte es auch keine Rolle, ob die Wehrmacht in dem lokalen Gefecht zahlenmäßig überlegen war, oder wie üblicherweise, unterlegen; ob sie Luftunterstützung oder Luftüberlegenheit hatte oder wie zumeist keine; ob sie als Sieger oder Verlierer daraus hervorging. Ebenso traf dies auch für alle Gefechtsbedingungen zu.