Frage an Steffen-Claudio Lemme von Roman B. bezüglich Recht
Roman Breier:
Bundesverband Psychiatrie-Erfahrener e.V. (BPE)
Geschäftsstelle:
Wittener Str. 87
44789 Bochum
Bundesarbeitsgemeinschaft Psychiatrie-Erfahrener e.V. (die-BPE)
Geschäftsstelle:
Haus der Demokratie und Menschenrechte
Greifswalder Straße 4
10405 Berlin
Sehr geehrte ,
vor der Bundestagswahl 2013 möchten wir,
der BPE e.V. (1)
und die-BPE e.V. (2),
Ihnen als Kandidatin Gelegenheit geben, sich zu folgenden fünf Fragen zu äußern, die zum Teil unsere Grundrechte und Interessen zentral betreffen:
• Setzen Sie sich für eine bedingungslos folter- (3) und gewaltfreie Psychiatrie ein?
• Setzen Sie sich für eine Abschaffung aller psychiatrischen Sondergesetze ein, wie es die Behindertenrechtskonvention fordert?
• Verhindern Sie jeden Versuch, rechtliche Betreuung zu einem Ausbildungsberuf zu machen, weil Qualität nur durch Abschaffung der Zwangsbetreuung gesichert werden kann?
• Setzen Sie sich für eine Todesfallstatistik aller psychiatrisch Behandelten ein?
• Setzen Sie sich für mehr Geld für die Selbsthilfe Psychiatrie-Erfahrener ein?
Wir wollen für unsere Mitglieder, Unterstützer und die interessierte Öffentlichkeit die Anworten als /"Wahlprüfsteine/" publizieren. Wir werden auch eine Wahlempfehlung daraus ableiten.
Deshalb bitten wir Sie, uns bis spätestens 6.9.2013 Ihre persönliche Antwort zukommen zu lassen, bitte auch als E-Mail an die Absenderadresse (4). Wenn Sie uns nicht antworten sollten, erlauben wir uns davon auszugehen, dass Ihnen das Interesse an diesen Themen fehlt und Ihre ausbleibende Antwort als 5 "Nein" auf unsere Fragen zu werten.
Mit freundlichen Grüßen
Für den Vorstand des BPE: Johannes Georg Bischoff und Matthias Seibt
Der Vorstand von die-BPE: Roman Breier, Uwe Pankow, Rene Talbot
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(1) BPE e.V.:
http://www.bpe-online.de/
(2) die-BPE e.V.:
http://www.die-bpe.de/
(3) Zum Folterbegriff aus Frage Nummer Zwei:
http://www.folter-abschaffen.de/
(4) Absenderadresse:
kandidatenwatch@gmx.de
Sehr geehrter Herr Breier,
vielen Dank für Ihre Fragen auf abgeordnetenwatch.de. Gern möchte ich Ihnen darauf wie folgt antworten:
Zu Ihrer ersten Frage:
Die Versorgung und Betreuung von Patientinnen und Patienten in Psychotherapie und Psychiatrie ist ein äußerst sensibles Thema, das die Fraktion der SPD in dieser Legislaturperiode mehrfach in verschiedenen Zusammenhängen intensiv beschäftigt hat. Wir haben die Versorgungssituation in psychiatrischen Einrichtungen kontinuierlich im Blick. Erst jüngst haben wir in der SPD-Bundestagsfraktion eine sehr emotionale und engagierte Debatte zur Frage medizinischer Zwangsmaßnahmen geführt, da derartige Maßnahmen von vielen Betroffenen als Form der Gewalt empfunden werden. Die Durchführung einer medizinischen Zwangsmaßnahme wurde maßgeblich auf unser Drängen auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt und ist nur mit einer unabhängigen richterlichen Genehmigung möglich. Sie darf nur als letztes Mittel zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens, der durch keine andere zumutbare Maßnahme abgewendet werden kann, angeordnet werden. Auch muss zuvor versucht worden sein, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen, um seine freiwillige Zustimmung zur Behandlung zu erreichen. Das Thema der Zwangsbehandlung ist damit aber längst nicht abschließend behandelt. Es gilt weitere Schritte insbesondere im präventiven Bereich einzuleiten. Zum Beispiel müssen die ambulanten Hilfesysteme ausgebaut werden, um in Krisensituationen den Betroffenen schnell und frühzeitig helfen zu können. Dieser und weitere Punkte werden uns in der 18. Wahlperiode weiter intensiv beschäftigen. Mit Blick auf die Psychiatrie steht fest, dass alles dafür getan werden muss, dass insbesondere bei den Betroffenen für mehr Vertrauen gegenüber den Einrichtungen und dem Personal geworben werden muss. Hierzu wollen und werden wir unseren Beitrag leisten.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Die Betroffenen psychischer Erkrankungen leiden in dieser Gesellschaft immer noch stark unter Formen von Stigmatisierung. Es fällt psychisch kranken Menschen deshalb oftmals schwer, sich Hilfe zu suchen. Deshalb arbeiten wir an der Verwirklichung einer inklusiven Gesellschaft. Menschen mit Behinderungen benötigen die für sie notwendige Versorgung, die nach ihren spezifischen Erfordernissen weiterzuentwickeln ist. Wir haben in unserem Antrag: UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen (Bundestags-Drucksache 17/7942) einen umfassenden Maßnahmenkatalog vorgelegt, den wir nach unserer Regierungsübernahme umsetzen werden. Der Antrag geht dezidiert auf Fragen des selbstbestimmten Lebens mit Behinderung und chronischer Erkrankung, der Assistenz oder Mobilität sowie auf die Herausforderungen im Arbeitsleben, der beruflichen Rehabilitation und sozialen Sicherung ein.
Sie finden unseren Antrag: UN-Konvention jetzt umsetzen – Chancen für eine inklusive Gesellschaft nutzen (Bundestags-Drucksache 17/7942) unter folgendem Link: http://bit.ly/17e9QPg
Zu Ihrer dritten Frage:
Eine Betreuerin oder ein Betreuer wird nach eingehender Prüfung des Falles durch ein Betreuungsgericht bestellt. Dies ist nur dann der Fall, wenn eine volljährige Person wegen einer psychischen Krankheit oder anderweitigen Behinderung ihre bzw. seine persönlichen Angelegenheiten nicht mehr allein bewältigen kann. Dabei werden der Betreuerin oder dem Betreuer ganz bestimmte und demnach auch begrenzte Aufgaben übertragen, um die Interessen des Betroffenen wahrzunehmen. Die Betreuung ist dabei zeitlich begrenzt.
Die Tätigkeit der Betreuung ist aus gutem Grund ehrenamtlich. Betreuerinnen und Betreuer sollen aus der Mitte der Gesellschaft kommen. Sie schließen sich in der Regel in einer Vereinigung zusammen, um den Erfahrungsaustausch zu pflegen. Die wiederkehrenden Diskussionen um eine Professionalisierung der Betreuung begleiten wir aufmerksam. Letztlich kommt es aus unserer Sicht darauf an, die Kontrollmechanismen im Rahmen einer Betreuung weiter zu verbessern, um Missbrauch vorzubeugen und letztlich die Interessen der betreuten Personen bestmöglich zur Geltung zu bringen.
Zu Ihrer vierten Frage:
Die maßgebliche Fachaufsicht über Einrichtungen der Psychiatrie liegt bei den Bundesländern. In den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Länder sind die Details zu Fragen des Anwendungsbereiches, der Voraussetzungen der Unterbringung sowie die Fachaufsichtspflicht durch die Landesgesundheitsministerien geregelt. Erst jüngst haben wir uns im Rahmen der Diskussion um medizinische Zwangsbehandlungen im Deutschen Bundestag auch mit unseren Partnern in den Ländern intensiv über die Strukturen vor Ort ausgetauscht. Wir haben dabei mehrfach betont, dass gerade im Rahmen einer Zwangsunterbringung alles unternommen werden muss, um das Vertrauen der Betroffenen gegenüber der Maßnahme, dem Personal und der Einrichtung zu gewinnen. Eine effektive Fachaufsicht der Länder gegenüber den psychiatrischen Einrichtungen ist hierfür eine notwendige Voraussetzung. Wir werden den Austausch über Fragen einer weitergehenden Effektivierung der Kontroll- und Aufsichtstätigkeit auch in der 18. Wahlperiode mit unseren Partnern in Ländern engagiert vorsetzen.
Zu Ihrer fünften Frage:
Wir wollen die unabhängigen Informations- und Beratungsmöglichkeiten, wie auch die Selbsthilfe im gesamten Gesundheitssystem stärken und eine verlässliche Finanzierung dafür schaffen. Deshalb werden wir mit den beteiligten gesellschaftlichen Akteuren auch nach der Konstituierung des neuen Deutschen Bundestages in Dialog treten, um tatkräftig darauf hinzuwirken, dass alle Patientinnen und Patienten noch stärker ihre Kräfte bündeln, um gemeinsam mit einer Stimme zu sprechen. Wir wollen die kollektiven Beteiligungsrechte der Patienten und Patientinnen im Gesundheitswesen über Verbände und fachkundige Organisationen auf Bundes- wie auf Landesebene stärken und die dafür notwendigen Ressourcen zur Verfügung stellen. Darunter fällt auch der inhaltliche Ausbau bzw. die Erweiterung von Mitberatungsrechten zu Mitbestimmungsrechten.
Mit freundlichen Grüßen
Steffen-Claudio Lemme, MdB