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Steffen-Claudio Lemme
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Frage von Bastian J. •

Frage an Steffen-Claudio Lemme von Bastian J. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Lemme

Grüße von Stefan Rebmann. Man hört viel über Leiharbeit. Leiharbeit war gedacht, den Unternehmen zu ermöglichen, kurzfristige Auftragsspitzen abzufangen, ohne Personal fest einstellen zu müssen, das, wenn die Auftragslage schlechter wird, wieder entlassen werden müsste. Jedoch hat sich die Praxis herausgebildet, im immer stärkeren Maß auf Leiharbeiter zurückzugreifen, weil diese häufig billiger sind als feste Arbeitnehmer (aus den unten angeführten Gründen). Auch das Papier "Fairness auf dem Arbeitsmarkt" erwähnt das Problem und schlägt Lösungen vor. Nur das aus meiner Sicht nächst liegende habe ich noch nicht gesehen. Dazu meine Frage:
Wäre es nicht möglich, den Tarifvorbehalt in § 9 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes einfach zu streichen?

Der Lohndrückeffekt, der von der Leiharbeit ausgeht, kommt ja in erster Linie daher, dass der eigentlich in § 9 niedergelegte Grundsatz "Gleiche Arbeit – gleiches Geld" durch Tarifverträge abbedungen werden kann und die Arbeitgeber durch mit der CGZP abgeschlossene Tarifverträge den Grundsatz erfolgreich unterlaufen haben. Ich würde jetzt nicht so weit gehen, zu sagen, dass ich mir sicher wäre, dass die CGZP ein Strohmann der Arbeitgeberseite ist, allerdings gibt es doch viele Indizien, die darauf hindeuten.

Zwar hat das LAG Berlin-Brandenburg die CGZP für nicht tariffähig erklärt, allerdings ist dieser Rechtstreit noch vor dem BAG anhängig und angesichts der sehr tariffähigkeits-freundlichen Rechtsprechung des BAG steht zu befürchten, dass das Urteil des LAG gekippt wird.

Wenn der Grundsatz, dass Leiharbeitnehmer genauso wie fest angestellte bezahlt werden müssten, durchgängig gelten würde, würde sich dann nicht Leiharbeit nur noch in den Fällen lohnen, für die dieses Instrument ursprünglich auch gedacht war? Gibt es noch triftige Gründe, den Tarifvorbehalt aufrecht zu erhalten? Gibt es andere Erwägungen, wie man den Missbrauch in Zukunft verhindern will?

Mit freundlichen Grüßen

Bastian Jansen

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Jansen,

zunächst vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Leiharbeit und die Grüße von Stefan Rebmann. Bitte bestellen Sie herzliche Grüße zurück.

Sie kritisieren völlig zu Recht die Fehlentwicklungen in der Leiharbeit. Leiharbeit ist aus meiner Sicht ein sinnvolles Instrument der Arbeitsmarktpolitik, wenn die Kernfunktionen, vor allem die kurzfristige Bewältigung von Auftragsspitzen, beachtet werden. Bei allen Erfolgen ist jedoch offensichtlich, dass prekäre Beschäftigung in den letzten Jahren massiv zugenommen hat. Leiharbeit macht dabei einen großen Teil prekärer Beschäftigung aus. Seit langem sind Fehlentwicklungen in der Leiharbeitsbranche bekannt.

Daher bin ich mit Ihnen einer Meinung, dass die Politik eingreifen muss wo Leiharbeit missbräuchlich benutzt wird. Ziel der Arbeitsmarktreform 2003 war unter anderem Leiharbeit stärker als bis dahin als Instrument für die Reintegration Arbeitsloser in den ersten Arbeitsmarkt zu nutzen und gleichzeitig den Wildwuchs in dieser Branche zu beseitigen. Diese Regelung führte zu einem starken Wachstum der Leiharbeitsbranche, aber auch zu Missbrauch.

Grundsätzlich gilt zwar seit 2003 der Gleichbehandlungsgrundsatz zwischen Leiharbeitern und Stammbelegschaft. Der „Geburtsfehler“ der Reform war aber, dass bereits der Verweis auf irgendeinen Tarifvertrag in der Branche zur Abweichung vom Equal-pay-Grundsatz ausreicht. Nachdem „christliche Gewerkschaften“ sehr frühzeitig einen Tarifvertrag auf niedrigem Niveau abgeschlossen hatten, mussten die DGB-Gewerkschaften handeln. Die Tarifgemeinschaft des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) hat mit zwei der drei großen Zeitarbeitsverbände jeweils einen Tarifvertrag auf höherem Niveau abgeschlossen. Der vom DGB ebenfalls abgeschlossene Mindestlohntarifvertrag konnte aufgrund fehlender Allgemeinverbindlichkeitserklärung nicht in Kraft treten. Durch die Lohndumpingkonkurrenz des Christlichen Gewerkschaftsbundes (CGB) steht der Gleichbehandlungsgrundsatz heute nur noch auf dem Papier. Jeder achte Leiharbeitnehmer bzw. jede achte Leiharbeitnehmerin ist trotz Vollzeittätigkeit auf ergänzende staatliche Unterstützung angewiesen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat bereits im März diesen Jahres einen Antrag mit dem Titel „Fairness in der Leiharbeit“ (DS 17/1155) in den Deutschen Bundestag eingebracht. Unsere Forderung entsprach genau Ihren Anregungen. Wir forderten von der Bundesregierung die Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes dahingehend, dass nach einer kurzen Einarbeitungszeit der Grundsatz „Gleiche Arbeit - gleicher Lohn“ ohne Ausnahme gilt. Darüber hinaus forderten wir die Einführung einer Lohnuntergrenze durch die Aufnahme der Leiharbeitsbranche in den Geltungsbereich des Arbeitnehmerentsendegesetzes. Dieser Antrag wurde seitens der Regierungsfraktionen abgelehnt. Sie können sich jedoch sicher sein, dass wir uns als SPD-Bundestagsfraktion weiterhin für faire Bedingungen in der Leiharbeit einsetzen . Das haben wir auch in unserem Parteiprogramm deutlich zum Ausdruck gebracht.

Mit freundlichen Grüßen
Ihr Steffen-Claudio Lemme