Frage an Steffen-Claudio Lemme von Frank M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Lemme.
Ich würde gern ihre Position zu folgendem Sachverhalt erfahren. Der deutsche Sozialstaat ist von einer Exportwirtschaft abhängig, die aufgrund eines ausufernden Abgaben- und Verwaltungssystems seit den 70er Jahren jeden Wettlauf mit asiatischen Wirtschaftsmächten verloren hat. Ein Sieg qualitativer, innovativer Elemente war unter diesen Belastungen nicht möglich. Wir können unter den seit 1990 herrschenden Bedingungen erst recht nicht wohlstandssteigernd konkurrieren. Nur wohlstandsmindernd. Alle Statistiken, sei es der private Verbrauch, die Reallöhne, die Arbeitslosenzahlen belegen dies. Selbst ein echter Aufschwung kommt nicht mehr beim Volk an – denn er basiert auf Lohnverzicht. Während die öffentlichen Haushalte ihren Standort mit schuldenbasierten „Anreizzahlungen“ aufpäppeln müssen. Deutschland ist ein guter Standort, doch nicht im Vergleich zu Chinesen, die keine , aber auch gar keine wohlfahrtsstaatlichen Errungenschaften auf ihre Produkte aufschlagen müssen. Auf lange Sicht sehe ich deshalb das Ende aller öffentlichen Strukturen, wenn nicht die Umstellung auf das Konsumeinkommen so schnell wie nur irgend möglich gelingt, sprich: 100 Prozent Konsumsteuer und dessen Stützung über das bedingungslose Grundeinkommen. Die Folgen können sie sich ausmalen, wenn Produkte im Ausland nur die Hälfte kosten, Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung unmöglich sind, sich 100% der Menschen am Steueraufkommen beteiligen, wenn Menschen wieder mit Spaß zur Arbeit gehen. Eine starke Exportwirtschaft ist im Sinne meiner SPD, ebenso der freie Arbeiter. Ich würde gern Ihre Position und Kritik zu einem solchen Befreiungsschlag wissen, dessen Finanzierbarkeit angesichts einer jetzigen Staatsquote von 55 Prozent außer Frage steht, vielen Dank.
Hochachtungsvoll und mit sozialdemokratischen Grüßen
Frank Martischewski.
Sehr geehrter Herr Martischewski,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Ich gebe Ihnen Recht, dass die Arbeitnehmer in den letzten Jahren viele Zugeständnisse gemacht haben, um ihre Arbeitsplätze zu sichern. Es gibt sicher auch Unternehmen, die diese Bereitschaft ihrer Belegschaft ausgenutzt und ihren Gewinn auf deren Rücken gesteigert haben. Als Gewerkschafter finde ich insbesondere das Absinken der Reallöhne sehr besorgniserregend. Diesen Trend zu stoppen ist Ziel der Sozialdemokratie. Ergebnis dieser Entwicklung ist auch eine Senkung der Kaufkraft und diese belastet die Wirtschaft. Dem können wir nur entgegenwirken, wenn die Tarifbindung in Deutschland erhöht werden kann.
Die Einführung einer 100prozentigen Konsumsteuer, wie Sie sie vorschlagen, würde meines Erachtens allerdings wiederum diejenigen Haushalte mit geringerem Einkommen besonders belasten und Haushalte mit höherem Einkommen schonen. Arme Haushalte wenden den Großteil ihres Einkommens für den Konsum auf. Dieser Konsum deckt die Grundbedürfnisse der Haushalte, wie zum Beispiel den Erwerb von Nahrungsmitteln, Mietzahlungen, etc. Haushalte mit niedrigem Einkommen würden durch die Konsumsteuer also fast zu 100 Prozent steuerlich belastet. Im Gegenzug dazu würden reiche Haushalte steuerlich entlastet, denn diese wenden nur einen geringen Teil ihres Einkommens für die Deckung der Grundbedürfnisse auf. In diesem Sinne ist die Konsumsteuer auch eine „sozial blinde“ Steuer. Sie berücksichtigt nämlich nicht, ob eine vierköpfige Familie eine Waschmaschine kauft oder ein eben wohlhabender Single.
Wir als SPD müssen dafür sorgen, dass die Menschen mit geringem Einkommen mehr Geld in die Hand bekommen! Daher plädiere ich als Gewerkschafter und als Sozialdemokrat für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns!
Mit freundlichen Grüßen
Steffen-Claudio Lemme, MdB