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Steffen-Claudio Lemme
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Frage von Manfred B. •

Frage an Steffen-Claudio Lemme von Manfred B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Lemme,

vor gut einem Jahr haben fast 60000 Bürger dieses Landes eine Petition "Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens" unterzeichnet.
Leider haben es die von uns gewählten Volksvertreter nach über einem Jahr immer noch nicht geschafft, einen Termin für eine öffentliche Anhörung festzusetzen.

Da Sie Mitglied des Petitionsausschusses sind, können Sie mir vielleicht erklären warum das so ist bzw. ob Sie evt. schon einen Termin für die Anhörung benennen können.

Zum zweiten würde mich interessieren, wie Sie persönlich zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen stehen, vor dem Hintergrund, dass es in unserer Gesellschaft ganz offensichtlich nicht genügend Arbeit geben wird, wo so viel verdient wird dass man davon menschenwürdig leben und am kulturellen Leben teilhaben kann.
Hierzu auch ein Interview über fehlende Arbeit mit dem US-Ökonomen Jeremy Riffkin, der auch schon deutsche Regierungen beraten hat:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/916564?_skip=0

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Burger,

herzlichen Dank für Ihre Frage.

Sie haben Recht: Die Petition von Frau Wiest ist noch immer in der parlamentarischen Prüfung. Da ich erst seit Oktober 2009 Mitglied des Deutschen Bundestages und seit Dezember 2009 Mitglied des Petitionsausschusses bin, habe ich mich bei meinen Kolleginnen und Kollegen erkundigt, weshalb noch keine öffentliche Anhörung zu dieser Petition anberaumt wurde.

Die Terminfindung wurde dadurch erschwert, dass im vergangenen Jahr Bundestagswahlen statt gefunden haben. Erfahrungsgemäß ist der parlamentarische Betrieb in und um die „heiße Wahlkampfphase“ erheblich eingeschränkt. So kamen zu der ohnehin regulären parlamentarischen Sommerpause noch die Monate bis zur Neukonstituierung des Parlaments und der Ausschüsse hinzu. Es ergab sich eine fast sechsmonatige Pause in der parlamentarischen Arbeit. An dieser Stelle möchte ich noch kurz anmerken, dass ich eine vierjährige Legislaturperiode als zu kurz ansehe, nicht zuletzt weil Wahlkämpfe schon vorher ihre Schatten vorauswerfen. Nachdem sich der Petitionsausschuss konstituiert hatte, folgte eine Einarbeitungsphase für die – vor allem neuen – Mitglieder. Die Terminierung der öffentlichen Beratungen konnte also erst im ersten Quartal 2010 erfolgen. Einen konkreten Termin der öffentlichen Anhörung für die Petition gibt es leider noch nicht. Ich kann Ihnen aber versichern, dass wir diesen so schnell wie möglich festlegen werden.

Gern möchte ich Ihnen auch meine Position bezüglich eines bedingungslosen Grundeinkommens erläutern: Für mich als Gewerkschafter und Sozialdemokrat haben das Eintreten für gerechte, Existenz sichernde Löhne und die Bekämpfung von Armut oberste Priorität. Ein bedingungsloses Grundeinkommen lehne ich ab, weil es meines Erachtens der falsche Weg ist, um diese Ziele zu erreichen. Wir leben in einem Sozialstaat. Ein Sozialstaat ist ein Staat, der soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit anstrebt, um die Teilnahme aller Bürgerinnen und Bürger an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu gewährleisten. Ein Sozialstaat verfolgt das Ziel, dass Menschen, die unverschuldet in Notlagen geraten sind und diese aus eigener Kraft nicht bewältigen können, entsprechend gefördert und unterstützt werden. Würde ein bedingungsloses Grundeinkommen existieren, dann hätten alle Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch darauf, ohne vorherige Prüfung auf Bedürftigkeit. Es würden also auch diejenigen davon profitieren, die darauf nicht angewiesen wären.

In meinen Augen ist das ungerecht. Es ist ungerecht denen gegenüber, die mit ihren Steuern den Sozialstaat erst möglich machen und es ist ungerecht denen gegenüber, die für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben finanzielle Hilfe benötigen. Rechnet man die Modelle eines bedingungslosen Grundeinkommens durch, wird deutlich, dass nur Beträge ausgezahlt werden könnten, die unterhalb des derzeitigen Existenzminimums liegen und weder im Fall von Arbeitslosigkeit noch im Alter vor materieller Armut schützen können. Eine über das vom Staat gezahlte Grundgehalt hinausgehende Förderung des Einzelnen ist nicht vorgesehen. Das bedingungslose Grundeinkommen blendet also die Vielschichtigkeit sozialer Problemlagen komplett aus. Armut bedeutet nicht ausschließlich materielle Armut. Wir wissen, dass Armut auch in Deutschland vererbt wird, weil bildungsarme Familien ihre Kinder nicht ausreichend fördern können. Und fehlende Bildungschancen werden durch ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht bekämpft. Der Sozialstaat besteht ja nicht allein aus sozialen Transferleistungen. Er stellt soziale Dienstleistungen zur Verfügung, wie z. B. Beratungsangebote, berufliche Weiterbildung, Ausbildung Benachteiligter, beschäftigungsbegleitende Maßnahmen, Familienhilfe. All das würde mit einem bedingungslosen Grundeinkommen abgeschafft.

Um Armut zu bekämpfen und allen Bürgerinnen und Bürgern eine gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen, müssen wir mehr und besser bezahlte Arbeitsplätze schaffen: Arbeit von der man leben kann, die nicht krank macht, die eine Rente ermöglicht, mit der man seinen Lebensabend würdig bestreiten kann! Deshalb kämpfe ich für einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Arbeit muss die Grundlage von Wohlstand und sozialer Sicherheit sein. Für Menschen die dennoch Unterstützung brauchen, müssen wir die bestehende Grundsicherung weiter entwickeln.

Mit freundlichen Grüßen
Steffen-Claudio Lemme