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Frage von Mariken K. •

Frage an Stefan Zackenfels von Mariken K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Stefan Zackenfels,

Ihr Parteikollege und SPD Abgeordneter- wie sie – Dr. Körting hat gegenüber der Linkspartei im Abgeordnetenhaus im November 2005 die Einführung von „codierten“ Polizeibeamten gerechtfertigt ( http://www36.websamba.com/Soligruppe/data/stuff/ka15-12975.pdf ). Dies sei in Ausnahmefällen sinnvoll und gerechtfertigt, eine Glaubwürdigkeitsprüfung der Verteidigung würde diese Codierung nicht verhindern oder gar ausschließen ( http://www36.websamba.com/Soligruppe/data/verwaltungsgericht_sperrerklaerung.htm ). In Anbetracht dessen, dass nunmehr ganze Polizei-Einheiten (so Beamte des LKA 5) sich pauschal „codieren“ lassen, sehe ich entscheidende Grundmechanismen der Rechtsstaatlichkeit – insbesondere der Verteidigerrechte - in Gefahr. Insbesondere die Umstände des Prozesses gegen Christian S. lassen erahnen, dass dieses Mittel mißbräuchlich zur Deckung eigener Verfehlungen genutzt wird. Siehe:

Text beim RAV:
http://www.rav.de/infobrief96/Studzinsky.html
- Berliner Zeitung: http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2006/0210/blickpunkt/0001/index.html?group¾rliner-zeitung;sgroup=;day=today;suchen=1;keywords=;search_in=archive;match=strict;author=Frank%20Nordhausen;ressort=;von=1.2.2006;bis0.2.2006
- Fall Christian S: http://freechristian.gulli.to
Hintergrund: http://www.nadir.org/nadir/archiv/Repression/berlin2005/07_polizei.html

Dieser Ansicht haben sich am 23.Mai 2006 in Berlin (Kato) auch Rechtswissenschaftler ( http://www.rechtskritik.de ), Richter (Dr. Peter Faust / Landgericht Berlin) und andere Parlamentarier (Volker Ratzmann / Grüne) angeschlossen. Werden sie auch in der folgenden Legislaturperiode an dieser Art der Vergeheimdienstlichung von Polizeiarbeit festhalten?

Mit freundlichem Gruss,

Mariken Kohlhaas

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Antwort von
SPD

Liebe Frau Kohlhaas,

ich teile Ihre Empörung über den Fall "Christian S.", sollte er sich wirklich so zugetragen haben, wie in dem verlinkten Artikel der Berliner Zeitung geschildert. Mir war der Fall bis dato nicht bekannt und so musste ich mich zunächst auch bezüglich des juristischen Hintergrundes dieses Problems kundig machen. Hinter der Einführung der Möglichkeit Sperrerklärungen ergehen zu lassen, steckt die Erwägung, dass die Exekutive die Möglichkeit haben muss Dinge geheim zu halten, deren Öffentlichwerden dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Schaden bereiten würde.
Unter anderem sollen damit ganz konkret die Beamten der Polizei davor geschützt werden, dass ihre Identität bekannt wird und sie somit in Gefahr durch die Milieus gebracht werden, die sie bekämpfen sollen (Terrorismus, organisierte Kriminalität etc.). Das kann man in dieser generellen Fassung meines Erachtens durchaus für ein berechtigtes Anliegen halten. Probleme ergeben sich, wenn diese Maßnahme derart massiv mit den Rechten des Angeklagten im Strafverfahren kollidiert, wie im Fall "Christian S." anscheinend geschehen. Damit will gesagt sein, dass ich das Anliegen der Innenpolitiker durchaus verstehen kann, es darf aber niemals zu derartigen Auswüchsen führen. Zu meiner Empörung ist noch ein gehöriges Maß an Verwunderung hinzugekommen. Im Zusammenhang mit dem Hamburger Terrorprozess gegen El Motassadeq hat der Bundesgerichtshof (3 StR 218/03 vom 4.3.2004) festgestellt, dass »eine durch Maßnahmen der Exekutive bedingte Verkürzung der Beweisgrundlage dem Angeklagten nicht zum Nachteil gereichen darf [.]«.
Es heißt dort weiter: »Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes darf jedoch ein Konflikt zwischen den Geheimhaltungsinteressen der Exekutive einerseits und den Verteidigungsinteressen des Angeklagten sowie der Pflicht des Gerichtes zur Wahrheitsermittlung andererseits nicht dazu führen, dass sich die Geheimhaltungsinteressen nachteilig für den Angeklagten auswirken«. In dem konkreten Fall erscheinen mir schlicht die absoluten Rechte des Angeklagten auf ein faires Verfahren und der rechtsstaatliche Grundsatz der Unschuldsvermutung verletzt zu sein, weil fälschlicherweise das Geheimhaltungsinteresse der Exekutive gegen diese Rechte abgewogen und als vorgehend erachtet wurde. Das Problem scheint mir also in erster Linie bei den Gerichten zu liegen. Denn nach dem Urteil des BGH darf die Exekutive durchaus auf Geheimhaltung bestehen, muss dann aber in Kauf nehmen, dass ein Angeklagter nicht verurteilt wird, auch wenn man auf Seiten der Exekutive von der Schuld des Angeklagten überzeugt sein mag. Es bleibt daher die, in meinen Augen allerdings auch berechtigte Hoffnung, dass in dem Fall "Christian S." das letzte Wort noch nicht gesprochen ist und seine Rechte im Instanzenzug gewahrt bleiben werden.

Mit freundlichem Gruß
Stefan Zackenfels