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Frage von Jörg K. •

Frage an Stefan Zackenfels von Jörg K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung

Sehr geehrter Herr Zackenfels,
Welche Position beziehen Sie zum Thema Ein-Euro-Jobs (=“Arbeitsangelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung“ oder kurz MAE)?
Seit der Einführung von Hartz IV haben die Berliner JobCenter von dieser Variante der „Eingliederung in Arbeit“ massiv Gebrauch gemacht, während Weiterbildungsmaßnahmen und ABM kräftig zurückgefahren wurden. Diese Ein-Euro-Jobber ohne regulären Arbeitsvertrag und Arbeitnehmerrechte werden v.a. im Bereich des öffentlichen Dienstes (Kitas, Schulen, Bibliotheken usw.) sowie der Freien Wohlfahrtspflege eingesetzt und sollen offenbar die Lücken schließen, die Personalabbau und Privatisierung in den letzten Jahre geschlagen haben. Immer wieder sind in der Presse Berichte zu lesen über, Verdrängungseffekte, zweifelhafte Projekte (vgl. z. B. „Die Geschichte wird umgeschrieben“ TAZ , 24. 2. 2006, S. 23), dubiose Maßnahmeträger und zweifelhafte Praktiken der JobCenter, um Erwerbslose in diese MAEs abzudrängen.
Halten Sie dieses arbeitsmarktpolitische Instrument für sinnvoll oder dient es nicht doch eher dazu die Erwerbslosenstatistik zu schönen?
Welche Einflussmöglichkeiten hat die Berliner Politik auf Landes- und Bezirksebene, um die Vergabepraxis der JobCenter sowie die Maßnahmeträger stärker zu kontrollieren und für Betroffene transparenter zu machen?
Sehen Sie in diesem Zusammenhang überhaupt Handlungsbedarf, d. h. negative Effekte? Gibt es ihrer Meinung nach praktikable arbeitsmarktpolitische Alternativmodelle? Oder müssen wir uns damit abfinden, dass auf die vielgescholtenen „ABM-Karrieren“ nun die „MAE-Karrieren“ folgen?

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Klitscher

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Sehr geehrter Herr Klitscher,

Das Instrument der Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung (der sog. "Ein-Euro-Jobs") wurde ja bekanntlich durch Hartz IV zusammen mit dem SGB II zum 1.1.2005 eingeführt (vgl. § 16 Abs. 3 SGB II) und stand von Beginn seiner Einführung an - meiner Meinung nach zu Recht - im Kreuzfeuer der Kritik. In der Praxis ersetzen die "Ein-Euro-Jobs" heute wie Sie selbst sagen vielfach die altbekannten Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und die sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisse der Hilfe zur Arbeit. Meine Position zu den sog. "Ein-Euro-Jobs" ist durchweg und deutlich - aber differenziert - kritisch. Die Gefahr der Verdrängung und Verschiebung von bzw. aus sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung durch "Ein-Euro-Jobs" besteht. Durch "Ein-Euro-Jobs" werden keine echten Arbeitsverhältnisse begründet, sondern schlecht bezahlte sozialrechtsähnliche Verhältnisse geschaffen. Sie dienen allenfalls als kurzfristige Überbrückung aus der Arbeitslosigkeit, nicht aber zur nachhaltigen Schaffung von mehr "echter", d.h. sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. In Berlin existieren meines Wissens momentan rd. 35.000 solcher "Ein-Euro-Jobs", davon allein 15.000 im Bereich des öffentlichen Dienstes. Damit ist dies der quantitativ größte Ansatz für ein arbeitsmarktpolitisches Instrument in Berlin. Und, was hat er bislang gebracht ? Antwort: Wenig. Nach den jüngsten Arbeitsmarktzahlen vom Juli 2006 waren 294.271 Personen in Berlin arbeitslos und damit zwar 10 % weniger als vor einem Jahr; die Zahl der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten in Berlin nahm aber - dieser vorsichtig als "positiv" zu bezeichnenden Entwicklung entgegen - weiter ab (minus 0,4 % gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres)! Hier ist zu fordern: Statt der kurzfristigen "Ein-Euro-Jobs" muss die Berliner Arbeitsmarktpolitik künftig stärker auf das Schaffen von sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung setzen als bisher: in Kitas, in Bibliotheken, in Schulen. Damit dies aber erfolgen kann, sind auch bundesgesetzliche Änderungen gegenüber der Großen Koalition einzufordern, z.B. im Bereich Angestelltenrecht Öffentlicher Dienst. Vor allem muß aber zwischen allen Akteuren eineVerständigung darüber erzielt werden, dass es Ziel der Berliner Beschäftigungspolitik ist, sowohl mit neuen arbeitsmarkt- und sozialpolitischen als auch mit gesellschaftspolitischen Zielsetzungen zusätzliche Arbeit zu schaffen. Ein guter Ansatz wäre die "Kapitalisierung" von Unterstützungsleistungen, d.h.: Umwandlung der Unterstützungszahlungen in Lohnzahlungen. Mit dem finanziellen Aufwand, der für einen "Ein-Euro-Job" aufgebracht wird, ließe sich - wenn man auch die mit dem "Ein-Euro-Job" im Zusammenhang gewährten übrigen Leistungen aus der Grundsicherung kapitalisieren würde - schon heute ein Bruttolohn finanzieren, der deutlich über vielen vergleichbaren unteren Tarifgruppen liegt und sogar über dem von ver.di vorgeschlagenen Mindestlohn. "Ein-Euro-Jobs" sind - trotz allem - bei den Arbeitsuchenden begehrt; das zeigt, dass die Menschen arbeiten wollen und zwar zu fast allen Bedingungen. Doch das eigentliche Ziel - eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung - erreichen sie durch einen "Ein-Euro-Job" so gut wie nie. Was wir dazu beitragen können, dies zu ändern, sollten wir tun. Was die Effizienz der Jobcenter betrifft: Die Center sind für die Durchführung der Aufgaben nach dem SGB II eigenverantwortlich. Die Steuerung durch die Landesebene ist praktisch null und durch die Bezirksebene, wie Sie sicher wissen, nach der gegenwärtigen bundesgesetzlich vorgegebenen Rechtlage sehr eingeschränkt (nur durch mittelbare Einflussnahmemöglichkeit über die Trägervertretungen der JobCenter möglich - hier sitzen drei Bezirksvertreter/innen je JobCenter drin). Ich finde daher, was wir in Berlin brauchen, ist eine klarere Verantwortlichkeiten in der Steuerung der Berliner JobCenter, damit eine Landeseinheitlichkeit, Vergleichbarkeit und Kontrolle auch in der Arbeitsmarktpolitik gewährleistet werden kann. Ich bin sicher, dass dieser Punkt in Koalitionsgesprächen, an denen die SPD teilnimmt, ganz oben stehen wird. Ob es zu solchen kommt, entscheiden Sie ...

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Zackenfels