Frage an Stefan Rebmann von Jens B. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Rebmann,
ich arbeite als selbständiger Freiberufler in der IT Branche als SAP Entwickler. Dabei akquiriere meine Kunden selber, viele auch über persönliche Kontakte. Und auf Grund meiner hohen Qualifikationen und langjähriger Erfahrungen werde ich bislang gerne von Unternehmen gebucht.
Dies geschieht mit unter auch längerfristig (1-2 Jahre) mit einer 100%igen Auslastung. Die Arbeiten sollen überwiegend zu den normalen Arbeitszeiten auf den Rechnern des Auftraggebers in den Räumen des Auftraggebers durchgeführt werden. Und in gewissem Rahmen muss ich natürlich auch die Vorgaben (Weisungen?) des Auftraggebers erfüllen.
Damit entspricht meine Arbeit nach dem Referentenentwurf zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes §611a BGB in vielen Punkten einem Arbeitsvertrag. Das würde für mich bedeuten, dass mich meine Auftraggebern in Zukunft aus Angst vor Klagen nicht mehr buchen werden. Bestenfalls könnte ich dann noch als Sub-Unternehmer über grössere Beratungsfirmen und Managed Service Provider wie z.B. Gulp oder Hays arbeiten. Das würde aber für und meine Auftraggeber eine deutliche Verschlechterung der Bedingungen bedeuten.
Ich kann mich und meine Familie sehr gut von meiner Arbeit ernähren und sichere meine Zukunft umfangreich durch private Renten- und Krankenversicherung ab. Warum soll ein Gesetzt verabschiedet werden, dass mir diese Art der Arbeit verbietet? Ich möchte nicht wieder als Angestellter arbeiten. Das habe ich über 18 Jahre lang gemacht und mich selber aus freien Stücken für eine selbständige Arbeit entschieden.
Bitte finden Sie Kriterien für die Definition der Scheinselbständigkeit, die es hochqualifizierten Selbständigen mit hohem Einkommen weiterhin ermöglicht, Ihrer Arbeit weiterhin selbständig nachzugehen.
Viele Grüße,
Jens Brandner
Sehr geehrter Herr Brandner,
vielen Dank für Ihr Schreiben in dem Sie Bedenken bezüglich des Gesetzentwurfs „zur Änderung des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes und anderer Gesetze“ (AÜG) äußern.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat sich mit dieser Angelegenheit umfassend befasst. Für uns ist klar, die Neuregelungen des Gesetzentwurfes haben das Ziel, die Leiharbeit auf ihre Kernfunktion hin zu reduzieren und dem Missbrauch von Werkvertragsgestaltungen entgegenzuwirken.
Die Definition des Arbeitsvertrages in § 611a BGB wurde aufgenommen, um Rechtsklarheit und Rechtssicherheit herzustellen. Wir wollen nicht, dass durch Missbrauch der bestehenden Regelungen weiterhin Lohndumping und schlechte Arbeitsbedingungen in Betrieben herrschen.
Es geht uns keineswegs um die Verhinderung von Werkverträgen. Vielmehr geht es uns um eine Begrenzung des um sich greifenden Missbrauchs des bewährten Instruments der Werkverträge. Ein Kernproblem ist, dass Verträge zwischen Unternehmen als Werkverträge bezeichnet werden, faktisch aber Leiharbeit praktiziert wird. Bislang gibt es rechtliche Lücken, die es unredlichen Unternehmern ermöglicht, auf Kosten von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so vorzugehen. Es kann nicht sein, dass in den Betrieben eine "Zweiklassengesellschaft“ mit zwei Lohnniveaus besteht und zudem die Stammbelegschaft durch billigere Arbeitskräfte verdrängt wird. Es ist nicht hinnehmbar, dass die einen als Arbeitnehmer und die anderen als Werkvertragsarbeitnehmer bezeichnet werden, sich in der Realität aber nur in ihrer Bezeichnung unterscheiden. Dieses ist rechtsmissbräuchlich.
Eine selbständige Tätigkeit setzt aber voraus, dass keine weisungsgebundene im Betriebsablauf eingebundene abhängige Beschäftigung und damit kein Abhängigkeitsverhältnis zu einem Unternehmen besteht. Selbstverständlich gehen wir davon aus, dass es weiterhin Werkverträge gibt, allerdings unter der Voraussetzung, dass die gesetzlichen Regelungen eingehalten werden.
Es kann nicht sein, dass ein Wahlrecht besteht, ob man selbstständig oder abhängig beschäftigt ist. Man würde damit vielen Menschen den sozialen Schutz entziehen. Hierbei geht es insbesondere um die Kranken- und Rentenversicherung, aber auch arbeitsrechtlichen Schutzbestimmungen.
Weiter ist zu bedenken, dass auch die Einbindung in das Sozialsystem nicht nur der persönlichen Absicherung, sondern der gesamten Solidargemeinschaft dient. Es ist Missbrauch, wenn man sich zum persönlichen Vorteil dem entzieht und er verzerrt zudem den fairen Wettbewerb.
Ob der beschriebene Sachverhalt auf ihre Situation zutrifft kann nicht beurteilt werden. Dazu wäre eine konkretere Betrachtung des Einzelfalls erforderlich.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Rebmann