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Frage von Thomas R. •

Frage an Stefan Rebmann von Thomas R. bezüglich Kultur

Sehr geehrter Herr Rebmann,

Das Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim aus ihrem Wahlkreis verschickt seit einigen Wochen Abmahnungen über die Berliner Anwaltskanzlei Müller Müller Rößner. Hintergrund ist ein unstrittig gemeinfreies Portrait des Komponisten Richard Wagner. Das Museum beansprucht Urheberrecht an einer Fotografie des Bildes. Einige Betreiber hatten es auf ihren kleinen Internetseiten verwendet, weil sie von den Urheberrechtsansprüchen nichts wissen konnten. Eine der Websites, ein Musik-Portal für Kinder, ist auf Grund der Abmahnsumme vorübergehend geschlossen. Das Museum erklärte, es sei auf Grund der herrschenden Rechtslage in Baden-Württemberg zu dem Vorgehen gezwungen.

Des Weiteren verklagt das Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim gegenwärtig die Wikipedia wegen Verbreitung des Bildes. Sie berufen sich dabei auf ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juni. Die Wikipedia meint, dass nach dem Bibelreproduktionsurteil des BGH von 1989 Fotos von gemeinfreier Kunst nie selbst urheberrechtlich schützenswert sind.

Falls das Reiss-Engelhorn-Museum Recht bekommt, steht zu befürchten, dass langfristig kein gemeinfreies Bildmaterial von Wikipedia mehr rechtssicher genutzt werden.

Meine Fragen:
1) Sollten fotografische Reproduktionen gemeinfreier Kunstwerke ihrer Meinung nach urheberrechtlich geschützt sein? Oder sollten sie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen?

2) Wenn als Folge des Rechtsstreits keine Wikipedia-Bilder mehr genutzt werden könnten: Wie schätzen sie die gesellschaftlichen Folgen insbesondere für universitäre Forschung und Lehre, Schulunterricht, Journalismus, Kunstszene, Kreativwirtschaft und für freie Blogger ein?

3) Ist die gegenwärtige Abmahnungs-Politik des Reiss-Engelhorn-Museums tatsächlich durch das öffentlich-rechtliche Kostendeckungsprinzip unumgänglich? Kann man bei Abmahnungssummen von um die 1000 Euro für eine einzelne Bildnutzung noch von "angemessenen Gebührensätzen" gemäß diesem Gesetz sprechen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Reeh,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage zu meiner Einschätzung des Vorgehens der Reiss-Engelhorn-Museen (rem) bezüglich der Nutzung fotografischer Reproduktionen gemeinfreier Kunstwerke und den möglichen Folgen dieses Vorgehens.

1) Sollten fotografische Reproduktionen gemeinfreier Kunstwerke urheberrechtlich geschützt sein oder der Allgemeinheit zur Verfügung stehen?

Es gibt zweifellos Argumente für die Haltung beider Seiten.
Nach Auffassung der Wikipedia-Community genießen diese Reproduktionen keinen Schutz. Das entspricht der Rechtslage in vielen Ländern. Darauf deutet auch die bisherige deutsche Rechtsprechung hin. Abschließend geklärt ist diese schwierige Rechtsfrage in Deutschland aber bislang nicht. In dem vorliegenden Fall ist die Zurverfügungstellung für die Allgemeinheit durch Wikimedia auch gar nicht der Streitpunkt, sondern die Klassifizierung als "gemeinfrei". Es wird vom Kläger "nur" nicht gewünscht, dass Wikimedia das Foto nach ihrer Rechtsauffassung als gemeinfrei einstuft und somit auch zur kommerziellen Verwendung freigibt. Im Übrigen ist Wikimedia Commons lediglich eine Plattform, auf der Nutzer eigenverantwortlich Inhalte anbieten können. Wikimedia trägt für die dort abrufbaren Inhalte keine rechtliche Verantwortung und gewährleistet nicht, dass die dort abrufbaren Inhalte uneingeschränkt nachgenutzt werden können.
Die grundsätzliche Frage in diesem Falle ist, ob ein Foto eines Werkes überhaupt die Schöpfungshöhe im Sinne des Urheberrechtes erlangt. Im Kern geht es bei der juristischen Bewertung darum, ob es sich bei der Ablichtung durch den Hausfotografen des Museums um eine bloße technische Reproduktion handelt oder eben nicht. Nur reine technische Reproduktionen sind vom Urheberrechtsschutz ausgenommen, da es an dem erforderlichen Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung fehlt, wenn eine zweidimensionale Vorlage so getreu wie möglich lediglich technisch reproduziert wird.
Ansonsten kann eine Fotografie entweder als "Lichtbildwerk" urheberrechtlichen Schutz genießen oder als "Lichtbild" schutzfähig sein. Die Abgrenzung hängt vom Grad der urheberrechtlichen Schöpfungshöhe (eigene geistige Schöpfung) ab. Nach Auffassung der rem (Stellungnahme zur urheberrechtlichen Fragestellung in Bezug auf die Abbildung "Porträt Richard Wagner" vom 8. Juli 2015) handelt es sich hierbei um eine solche eigenständige Leistung, da das Foto nicht mal eben im Vorbeigehen aufgenommen worden sei und wohl besondere Kenntnisse sowie professionelle Technik zur Erstellung notwendig waren.
Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz strebt im Rahmen ihrer Urheberrechtsagenda eine Anpassung des Urheberrechts an die Erfordernisse des digitalen Zeitalters an. Dazu gehört auch, die geltenden Schrankenregelungen für die Nutzung von Inhalten zum Zwecke der Allgemeinheit ggf. zu flexibilisieren. Der Handlungsspielraum des deutschen Gesetzgebers ist hier aber durch die Vorgaben der Europäischen Union begrenzt.

2) Wenn als Folge des Rechtsstreits keine Wikipedia-Bilder mehr genutzt werden könnten: Wie schätzen sie die gesellschaftlichen Folgen insbesondere für universitäre Forschung und Lehre, Schulunterricht, Journalismus, Kunstszene, Kreativwirtschaft und für freie Blogger ein?

Man kann meines Erachtens an der Angemessenheit von Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen zweifeln, wenn - wie im Fall des Online-Portals "Musical & Co." für Kinder - die Abmahnung eines nicht-kommerziellen Nutzers dazu führt, dass das Portal bis zur endgültigen Klärung der Bildrechte stillgelegt wird. Andererseits sollte sich das Museum dagegen wehren dürfen, wenn ihre urheberrechtlich geschützte Fotografie von US-Merchandise-Unternehmen kommerziell verwertet wird und diese Unternehmen damit Gewinne erwirtschaften.
Allerdings scheint mir hier die Gemeinfreiheit nicht generell in Frage gestellt. Es werden weiterhin gemeinfreie Werke uneingeschränkt zu nutzen sein, nur dürften ggf. Lichtreproduktionen eines gemeinfreien Werkes nicht automatisch auch als gemeinfrei eingestuft werden.
Für Forschung und Lehre und für den nicht-kommerziellen Bereich sollten sich keine Veränderungen ergeben. Diese dürfen solche Werke nutzen, aber ggf. nicht nach außen weiterverbreiten. Aber auch hier muss weitere Rechtssicherheit geschaffen werden. Einen ersten Schritt haben wir durch die Entfristung des §41a UrhR geleistet, nun gilt es noch eine rechtssichere Bildungs- und Wissenschaftsschranke zu ziehen. Erste Vorarbeiten sind getroffen und fließen nun in den politischen Diskurs ein.

Kommerzielle Nutzer, Journalismus und die Kreativwirtschaft müssten eben ggf. Rechte einholen und vergüten, das würde dem Urheber der Fotos ja auch zu Gute kommen und ist damit nicht per se "schlecht". Bei Kunst müsste der Einzelfall betrachtet werden, ob es sich um Neuschöpfungen handelt oder eben um Reproduktionen. Für private Blogger könnte es durchaus zu einer Schlechterstellung kommen, diese würde einen geringeren Fundus an Bildern haben.

3) Ist die gegenwärtige Abmahnungs-Politik des Reiss-Engelhorn-Museums tatsächlich durch das öffentlich-rechtliche Kostendeckungsprinzip unumgänglich? Kann man bei Abmahnungssummen von um die 1.000 Euro für eine einzelne Bildnutzung noch von "angemessenen Gebührensätzen" gemäß diesem Gesetz sprechen?

Hierzu kann ich nichts sagen, außer dass sowohl diese Praxis also auch solche Abmahnsummen anscheinend üblich sind.

Mit freundlichen Grüßen
Stefan Rebmann, MdB