Frage an Stefan Müller von Norbert H. bezüglich Umwelt
Sehr geehrter Herr Müller,
da mich die aktuellen Entscheidungen der Regierung zum Thema Atomausstieg schockieren, würde ich gerne wissen, wie Sie als Vertreter meines Wahlkreises zu dieser Entscheidung stehen.
Wenn Sie hinter der Meinung der Regierung stehen, würde ich gerne wissen, wie Sie dies gegenüber zukünftigen Generationen rechtfertigen wollen, gerade auch vor dem Hintergrund der bis heute ungeklärten Frage der Endlagerung der hochgefährlichen Atomabfälle.
Allein diese offene Frage spricht doch gegen jede Verlängerung für die Nutzung von Atomenergie.
Die aktuellen Informationen zum Inventarbericht zum Lager Asse zeigen ja auch, dass die Betreiber hier nicht ehrlich agieren, und warum sollte dies besser werden?
Ich bin wirklich entsetzt, wie hier eine profitgierige Betreiberlobby die Regierung dazu bringt, eine Laufzeitverlängerung anzugehen obwohl die Frage der Endlagerung der Abfälle nach wie vor nicht beantwortet ist und wir somit auf einer Zeitbombe sitzen.
Mit freundlichen Grüßen,
Norbert Hütte
Sehr geehrter Herr Hütte,
vielen Dank für Ihre Frage. Die jetzt beschlossene Verlängerung der Laufzeiten ist in der Tat ein sehr emotionales Thema, bei dem ich mir wünschte, dass wir es sachlicher diskutieren könnten. Aus diesem Grund werde ich Ihnen etwas umfassender antworten, weil es bei dieser Frage nicht nur um die Abschaltung von Kernkraftwerken geht.
Die Energieversorgung in Deutschland muss sich an drei Punkten orientieren:
1. Versorgungssicherheit in Deutschland,
2. Verringerung der Treibhausgasemissionen und
3. Bezahlbarkeit von Energie.
zur Versorgungssicherheit:
Mir kommt es darauf an, dass wir uns nicht von Stromimporten aus anderen Ländern abhängig machen. Ich hoffe wir sind uns darin einig, dass es unsinnig wäre, wenn wir unsere Kernkraftwerke in Bayern abschalten und dann Kernenergie aus Temelin importieren, wo wir keinen Einfluss auf die Erzeugung und die Sicherheit nehmen können. Dies würde Arbeitsplätze und Wertschöpfung in Deutschland kosten, aber den Anteil der Kernenergie am Gesamtverbrauch nicht verringern und darum muss es uns im Ergebnis gehen. Strom ist ein Produkt, das an der Energiebörse gehandelt wird. Es geht dabei um rein marktwirtschaftliche Entscheidungen. Solange Kernenergie -- egal aus welchem Land -- an dieser Börse günstiger zu haben ist als andere Energie, werden die Stromversorger diesen Strom einkaufen.
Es wird darauf ankommen, bei der Stromerzeugung in mehreren Schritten, bei denen zunächst ein Energiemix auf Basis fossiler und atomarer sowie regenerativer Energiequellen etabliert werden muss, den Anteil der erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung soweit auszubauen, dass sowohl die Abhängigkeit von Öl- und Gasimporten sinkt als auch der CO_2 -Ausstoß signifikant reduziert wird. Der momentane Streit geht nicht um die Frage raus aus der Kernenergie oder nicht, sondern um die Frage wann wir es schaffen werden, vollständig auf erneuerbare Energien umzustellen. Dazu gibt es von mehreren Seiten viele unterschiedliche Gutachten, aber keine wirklich verlässlichen Aussagen.
zur Reduzierung der Treibhausemissionen:
Langfristig sollte das Ziel angestrebt werden, die gesamte Stromerzeugung auf Basis erneuerbarer Energieträger sicherstellen zu können. Da die Sparte der erneuerbaren Energie zum jetzigen Zeitpunkt nicht in der Lage ist, den Leistungswegfall der abgeschalteten Kernenergie auszugleichen, bleiben nur die Alternativen des Imports und der neuen fossilen Kraftwerke mit entsprechender Unterstützung durch die erneuerbare Energie als Stromlieferant -- der Schwerpunkt liegt dabei derzeit eher beim Bau neuer Kraftwerke -- vor allem auf Kohle-Basis. Die Klimapolitik der Bundesrepublik Deutschland zielt -- wie die Klimapolitik anderer Staaten und der EU -- darauf ab, den Schadstoffausstoß zu reduzieren. Gerade im Bereich der CO_2 -Belastungen sind die Klimaschutzziele sehr ehrgeizig formuliert worden. So sollen die Treibhausgasemissionen bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent unter das Niveau des Jahres 1990 sinken. Wir werden daher Kernenergie auch brauchen, um uns von Kraftwerken zu verabschieden, die mit fossilen Energieträgern betrieben werden.
zur Bezahlbarkeit von Energie:
Sie werden die Kritik der Kommunalen Unternehmen an der Verlängerung der Laufzeiten vernommen haben. Hintergrund der Kritik war die Angst der kommunalen Energieversorger, dass sie ihren Strom nicht mehr verkaufen können. Diese Aussage heißt doch im Ergebnis nur eins, nämlich dass Strom aus kommunalen Kraftwerken deutlich teurer ist, als der aus Kernkraftwerken und dass wir uns auf steigende Strompreise einstellen müssten. Steigende Strompreise führen dazu, dass die Debatte über eine möglichst preisgünstige Stromversorgung in Deutschland immer wieder neuen Antrieb bekommt. Ziel ist es, die Verbraucherinnen und Verbraucher -- sowohl Privathaushalte als auch Unternehmen -- möglichst kurzfristig und möglichst dauerhaft bei den Energiekosten im Allgemeinem und den Stromkosten im Besonderen zu entlasten. Es mag Menschen geben, die mit höheren Stromkosten leben können. Es gibt aber auch viele Menschen, die das nicht können, ebenso wie es energieintensive Industrie in Deutschland gibt, von der und deren Arbeitsplätzen wir uns dann verabschieden müssten. Das gehört auch zur Wahrheit eines vorzeitigen Atomausstiegs, der leider von den Gegnern der jetzt gefundenen Regelung bewusst nicht diskutiert wird.
zur Frage der Endlagerung:
Ich stimme Ihnen zu, dass diese Frage ein überzeugendes Argument gegen die Kernenergie ist. Vor dem Hintergrund der Generationengerechtigkeit ist es eigentlich unverantwortlich, dass wir heute Energie nutzen und damit Abfall produzieren, den eine nicht absehbare Zahl kommender Generationen wird ertragen müssen. Das größte Problem dabei ist aber nicht die jetzt beschlossene Verlängerung, sondern der Müll, der beim Abbau der Atomanlagen anfällt. Das Problem würde sich auch bei einer sofortigen Abschaltung stellen. Es ist daher richtig, dass die Bundesregierung dieses Problem endlich angeht und nach einem geeigneten Endlager suchen lässt. Die ehemalige Rot/Grüne Bundesregierung hatte seinerzeit die Endlagersuche gestoppt, als könnte man so das Problem lösen. Stattdessen hat Rot/Grün das Problem einfach verdrängt. Die jetzige Bundesregierung wird die Frage der Endlagerung klären.
Ich hoffe es ist deutlich geworden, dass es bei dieser Frage um mehr geht, als ein einfaches Abschalten "Ja" oder "Nein". Wir dürfen dieses Thema nicht nur populistisch diskutieren, so wie es derzeit von einigen Seiten getan wird. Es kommt darauf an, eine langfristige und nachhaltige Strategie zu entwickeln, die zu mehr erneuerbaren Energien führt, die letztlich unsere Energieunabhängigkeit in Deutschland sichern werden.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller, MdB