Frage an Stefan Berger von Harald J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Dr. Berger,
Ihre Antwort zur Frage der Diätenerhöhung zeigt das Verständniss der Politiker zum Einkommen. Wenn sich in der freien Wirtschaft meine Beiträge zur Altersversorgung usw. erhöhen kommt kein Arbeit- / Auftraggeber und erstatten mir die Zusatzkosten. Das ist nur, unter Berücksichtigung der Selbstbedienungsmentalität, bei den Politikern möglich. Außerdem behaupten Sie der Etat würde nicht belastet da die Mittel aus einem anderen Topf kommen. Dadurch steht aber dort weniger zur Verfügung. Wann realisieren unsere Politker eigentlich das die Bürger diese Aroganz nicht mehr ertragen wollen. Warum werden die Pensionen der Politiker nicht gleich behandelt wie die Renten? Ist das der Gleichheitsgrundsatz nach dem GG?
Sehr geehrter Herr Jütte,
zu Ihrer Frage:
In der Vergangenheit haben die Abgeordneten in NRW eine beamtenähnliche Altersversorgung aus der Staatskasse erhalten. D. h. sie mussten wie ein Beamter für ihre Altersversorgung keine eigenen Beiträge entrichten.
Um mehr Transparenz zu schaffen, hat der Landtag Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2005 nach Beratung durch eine unabhängige Kommission einstimmig eine grundlegende Reform des Abgeordnetengesetzes beschlossen. Kernpunkte waren der Wegfall aller steuerfreien Pauschalen, die Finanzierung der Altersversorgung aus dem versteuerten Einkommen über die Pflichtmitgliedschaft in einem Landtags-Versorgungswerk und im Gegenzug eine angemessene Erhöhung der steuerpflichtigen Diäten, aus denen nunmehr alle Mandatskosten oder Sonderbeiträge bestritten werden müssen.
Die damalige Neuregelung gilt nach wie vor bundesweit als beispielgebend, wurde jedoch von keinem anderen Parlament übernommen, da die Kollegen im Bundestag und in den übrigen Ländern eine deutliche Schlechterstellung gegenüber der Altregelung, insbesondere bei der Altersversorgung, befürchteten.
Diese Befürchtungen bezüglich einer angemessenen Altersversorgung haben sich nach gut 6 Jahren Praxis als zutreffend erwiesen und sind mit der Änderung des Abgeordnetengesetzes am 08. Februar 2012 im Interesse der ab 2005 neu in den Landtag gewählten Kolleginnen und Kollegen teilweise korrigiert worden.
Worum geht es bei dieser Korrektur?
Bis zum Jahr 2005 hatten Landtagsabgeordnete nach 10 Jahren Parlamentszugehörigkeit Anspruch auf eine Altersentschädigung in Höhe von 40% der Grunddiät, die nach Ausscheiden aus dem Landtag bereits ab dem 55. Lebensjahr ausgezahlt wurde. Das war damals ein Betrag von 1.923 €/Monat.
In Anlehnung an das allgemeine Rentenrecht hat die Reform von 2005 den frühesten Bezugszeitpunkt für die Altersentschädigung vom 55. auf das 65. Lebensjahr angehoben. Zudem sanken durch den 2005 in die steuerpflichtigen Diäten eingerechneten Beitrag für das Landtags-Versorgungswerk in der Praxis für die neuen Abgeordneten nach 10 Jahren Parlamentszugehörigkeit die monatliche Rente auf 1.251 €.
Zusammengefasst: Nach dem bis 2005 gültigen Gesetz erhielt ein Landtagsabgeordneter in NRW nach 10 Jahren Parlamentszugehörigkeit eine monatliche Altersentschädigung in Höhe von 1.923 Euro ab dem 55. Lebensjahr. In Folge des Reformgesetzes von 2005 verschlechterte sich bis Jahresbeginn 2012 die monatliche Altersentschädigung auf 1.251 € ab dem 65. Lebensjahr. Davon sind v.a. alle ab 2005 erstmals gewählten Abgeordneten betroffen.
Die Korrektur vom 08. Februar 2012 führt dazu, dass es bei der 10 Jahre späteren Auszahlung bleibt, der durch die Systemänderung von 2005 entstandene Verlust aber teilweise ausgeglichen wird und die monatliche Altersversorgung auf 1.573 € ab dem 65. Lebensjahr ansteigt.
Wenn man die Angemessenheit dieser Regelung prüfen will, so muss man vergleichbare Berufsgruppen zum Maßstab nehmen.
Unsere Kollegen in Sachsen erhalten nach 10 Jahren monatlich 1.700 €, in Niedersachsen 1.875 €, in Baden-Württemberg 1.900 €, im Bundestag 2.396 € und im Europaparlament 2.784 €, dort allerdings bereits ab dem 63. Lebensjahr.
Ein kommunaler Wahlbeamter in Besoldungsgruppe B2 (Beigeordneter in einer Stadt ab 40.000 Einwohnern) erhält nach 10 Dienstjahren Jahren rd. 2.392 € monatlich, die bereits ab dem 45. Lebensjahr ausgezahlt werden.
In Abwägung dieser Sachverhalte halte ich die Anhebung der Pflichtzuführung an das Versorgungswerk für gerechtfertigt.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Berger