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Frage von Torsten W. •

Frage an Sonja Steffen von Torsten W. bezüglich Bildung und Erziehung

Sehr geehrte Frau Steffens,
ich bedanke mich auf diesem Wege für Ihre umfangreiche Antwort vom 30. Juni.

Erlauben Sie mir drei Rückfragen anhand Ihrer Antworten:

Die Bereitstellung von finanziellen Mitteln für die Digitalisierung des Bildungssystems sowohl Hardware in Schule und Elternhaus, als auch Software hinsichtlich der Inhalte sowie für die entsprechende Ausbildung der Lehrkräfte ist eine notwendige, aber keine hinreichende Bedingung für ein hohes, durchschnittliches Bildungsniveau der Bevölkerung.

Kurz gesagt, viel Geld allein hilft nicht. Estland beweist das, dort wird deutlich weniger pro Schüler ausgeben als hier.

Lehrkräfte müssen Medienkonzepte erarbeiten und bürokratische Hürden nehmen, um in den "Genuss" der Mittel aus dem Digitalpakt zu kommen. Dies bindet viel zu viel Arbeitszeit des Personals vor Ort. Das reduziert die Zeit, die LehrerInnen für den Unterricht (egal, ob digital oder Präsenz) haben. Unterricht ist allerdings die Kernaufgabe der Lehrkräfte. Auch Schulleitungen werden mit Konzepte und Anträgen schreiben beschäftigt, statt dass sie führen und unterstützen bei der Zusammenarbeit zw. Lehrern und Elternhäusern. Leider gewann ich den Eindruck, dass die Schulen mit den an sich fachfremden Aufgaben wie der Einführung digitaler Infrastruktur und nun auch der Umsetzung der Hygieneregeln weitgehend allein gelassen werden.

Wird die Verwaltung sich als Dienstleister an Schulen und Eltern an der Stelle verstehen, welche Optionen erarbeitet, aus denen Schulen dann das für sie passende auswählen können? So funktioniert übrigens unsere Dienstleistungsgesellschaft.

Kann man Bildung unter Corona-Bedingungen besser machen, als dies geschah und immer noch geschieht?

Zweifelsohne. Bereits am 16. März d. J. hat Estland den EU-Partnern sein digitales Unterrichtssystem kostenlos angeboten, d. h. Inhalte, Quellcodes, Systemvoraussetzungen usw.. Zumindest für Mathematik der Klassen 1-6 hätte man die Begleittexte innerhalb eines Quartals ins Deutsche übersetzen können. Alles andere lag fertig vor. Damit hätten wir jetzt für das wichtigste Hauptfach neben Deutsch die Voraussetzung, Fernunterricht durchzuführen, der den Namen Unterricht tatsächlich verdient.

Wird es eine Abstimmung über Landesgrenzen hinweg geben? Erkennen Sie überhaupt an, dass die Struktur des Bildungssystems in Deutschland nicht mehr zur Lebensrealität der Bevölkerung passt? 16 verschiedene Landes-Wahrheiten hinsichtlich Bildung machen das unmöglich. Damit ist praktische Arbeitsteilung - der *Erfolgsschlüssel* des Internets - nicht moeglich. Halten Sie das so strukturierte, föderale Bildungssystem weiterhin so haltbar, auch wenn sich die Lebensbedingungen der Bevölkerung längst dramatisch ändern?

Ein Hinweis noch: Eine Hilfe ist es, wenn die Regierung die Schulbuchverlage dazu verpflichtet bzw. mit denen direkt verhandelt, notwendige Unterrichtsmaterialien kostenlos ins Netz zu stellen. Der Englisch-Unterricht konnte z.B. weder durch LehrerInnen noch Eltern im Homeschooling bewerkstelligt werden, weil die erforderlichen Audiomaterialien nicht zur freien Verfügung standen, sondern durch Copyrights geschützt sind. Schulbuchverlage verdienen sich jetzt eine goldene Nase daran, dass Eltern diese Materialien individuell käuflich erwerben.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich Ihre Meinung, dass wir die Coronakrise in der Bildung bisher gut meistern, nicht teile. Wenn Sie (ich zitiere Sie) "in einem fortwährenden Lernprozess aus der jetzigen Situation die richtigen Schlüsse ziehen" wollen, müssen von Ihrem hohen Ross herunterkommen und den Betroffenen (SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern) das zuarbeiten, was diese wirklich brauchen, um erfolgreich zu lernen, zu lehren und zu erziehen.

Vielen Dank für Ihre Antwort.

Freundlicher Gruß, Torsten Wierschin

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Sehr geehrter Herr Wierschin,

vielen Dank für Ihre zweite Nachricht.

Zu Ihren drei Rückfragen, kann ich Ihnen Folgendes mitteilen.

1. Verwaltung als Dienstleister

Im Digitalpakt Schule wurden z.B. 5,5 Milliarden Euro von Bund und Ländern für die digitale Ausstattung der Schulen bereitgestellt. Der Katalog der förderfähigen Investitionen wurde während der Corona-Pandemie erweitert, damit die Verzahnung von digitalem Lernen und Präsenzunterricht verbessert wird. Zudem wurden 500 Million Euro für die Beschaffung digitaler Endgeräte während der Corona-Pandemie bereitgestellt. Zusätzliche 500 Millionen Euro sollen jetzt die Lehrerinnen und Lehrer bei der Beschaffung, Wartung, Pflege und Einführung von Software unterstützen.

Lehrerinnen und Lehrer sollen zukünftig nicht mehr allein gelassen werden, sondern nach Auffassung der SPD-Bundestagsfraktion durch Bildungstechnologinnen und -technologen entlastet werden. Die Länder werden angehalten, flächendeckend Ausbildungslehrgänge oder Studiengänge zu entwickeln, die dieses Aufgabenprofil abbilden. Der Bund wird sich in Zukunft pauschaliert bei der Ausbildung und Finanzierung von Administratorinnen und Administratoren beteiligen, wenn die Länder im Gegenzug die digitale Weiterbildung der Lehrkräfte verstärken. So haben Lehrerinnen und Lehrer wieder mehr Zeit für ihre Kernaufgabe, den Unterricht.

2. Verbesserung von Bildung unter Corona-Bedingungen

Ganz bestimmt kann man Bildung unter Corona-Bedingungen besser machen, als dies im Frühjahr diesen Jahres geschah. Ich möchte aber noch einmal daran erinnern, dass niemand auf diese Pandemie vorbereitet war. Einige digitale Vorreiterschulen haben uns aber gezeigt, dass der Fernunterricht in Echtzeit funktionieren kann.

Je nachdem, ob es einen erneuten Anstieg der Corona-Fälle im Herbst gibt, könnten die Länder mitten im Schuljahr zurück in den Fernunterricht springen. Vor diesem Hintergrund bereiten die meisten Länder derzeit Back-up-Pläne für verschiedene Szenarien vor. Dabei werden sie mit Sicherheit versuchen die digitalen Errungenschaften der letzten Monate in den Schulalltag zu integrieren.

3. Föderales Bildungssystem

Sehr geehrter Herr Wierschin, ich gebe Ihnen recht, das föderale Bildungssystem hat Nachteile. So gibt es schon heute viele best-practice-Beispiele: von Lehrkräften, Schulleitungen sowie Schülerinnen und Schülern. Dass diese nur schlecht für alle nutzbar gemacht werden können, liegt auch daran, dass die einzelnen Bildungssysteme der Länder zu wenig miteinander kooperieren.

Deshalb fordern wir als SPD-Bundestagsfraktion Bund und Länder weiterhin auf an einem kooperativen Bildungsföderalismus zu arbeiten. Das CDU-geführte Bundesbildungsministerium ist daher aufgefordert eine führende koordinierende Rolle einzunehmen, um an einem kooperativen Bildungsföderalismus in Deutschland zu arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Sonja Steffen, MdB