Frage an Sonja Steffen von Horst S. bezüglich Jugend

Sehr geehrter Herr Spengler,

ich danke Ihnen für Ihr Schreiben über Abgeordnetenwatch, in dem Sie mich darum bitten, mich gegen das so genannte „Betreuungsgeld“ einzusetzen. Im Koalitionsvertrag haben CDU, CSU und FDP sich auf die Einführung eines „Betreuungsgeldes“ geeinigt: Eltern, die ihre unter 3jährigen Kinder zu Hause betreuen und keinen Krippenplatz beanspruchen, sollen ab 2013 monatlich 150 Euro erhalten.

Ich schließe mich Ihrer Ansicht an: Diese Änderung wäre bildungspolitisch ein totaler Rückschritt. Nach jahrelangen Diskussionen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf einerseits, aber auch die Vorteile der frühkindlichen Bildung andererseits haben wir in der Großen Koalition den Rechtsanspruch auf Betreuung für Kinder unter 3 Jahren durchgesetzt. Alle Kinder sollen damit unabhängig vom Geldbeutel der Eltern eine faire Chance auf eine bessere Integration, auf besseren Spracherwerb und eine bessere Bildung erhalten.

Ich hege die Befürchtung, dass die Einführung des „Betreuungsgeldes“ dazu führt, dass einige Kinder schlechtere Bildungschancen erhalten. Denn dadurch ist gerade bei sozialschwachen Familien der finanzielle Anreiz für die Entscheidung, ihr Kind lieber zu Hause zu behalten anstatt es in den Kindergarten zu geben, sehr hoch. Doch gerade für diese Kinder ist der Kindergartenbesuch sehr wichtig, um ihre Bedingungen für den Start in die Schule zu verbessern. Und für alle Kinder gilt, dass sie in Krippe und Kindergarten frühzeitig soziale Kompetenz trainieren und dort schon vor Schulbeginn lernen, sich mit anderen Kindern auseinanderzusetzen.

In den ostdeutschen Bundesländern ist die Tagesbetreuung der unter 3jährigen traditionell deutlich besser ausgebaut als in den westdeutschen Ländern. Während bundesweit 2007 die Betreuungsquote bei unter 3jährigen bei 15,5% liegt, konnte sie in den neuen Ländern auf 41% erhöht werden. Durch den in der Großen Koalition beschlossenen Rechtsanspruch auf Betreuung ab eins hatte ich erwartet, dass die alten Bundesländer nun zügig „nachziehen“. Auch in dieser Hinsicht empfinde ich die Einführung eines Betreuungsgeldes als deutlichen Dämpfer dieser Entwicklung.

Sie erkundigen sich, was ich, was wir tun können, um diese Entwicklung zu verhindern. Leider sind unsere Möglichkeiten aufgrund der Mehrheitsverhältnisse begrenzt. Jedoch werden wir weiterhin bei allen Gelegenheiten, insbesondere bei der Ausarbeitung der Gesetze in den zuständigen Ausschüssen, unsere Argumente und Bedenken gegen diese Einführung vorbringen und uns in den noch zu führenden Diskussionen dafür einsetzen, dass die von Ihnen und uns befürchtete Entwicklung nicht eintritt.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen meine Position in dieser Frage ausreichend darlegen. Gerne können Sie sich in dieser oder einer anderen Angelegenheit erneut an mich wenden.

Mit freundlichen Grüßen
Sonja Steffen