Frage an Sören Bartol von Isabell P. bezüglich Gesundheit
Guten Tag,
als Psychologin setze ich mich mit den Formen und Folgen von Mobbing auseinander. Die gesellschaftliche Relevanz des Themas ist offensichtlich. Mobbing zählt zu negativen Lebensereignissen, die psychische Belastungen und Störungen begünstigen. Mobbing macht also krank und steht jährlich mit etwa 2000 Suiziden in Zusammenhang. Mobbing verursacht durch Arbeitsausfälle und Inanspruchnahme von Gesundheitsleistungen enorme Kosten - der volkswirtschaftliche Schaden wird auf bis zu 25 Milliarden Euro geschätzt. Somit ist Mobbing für Belastungen des sozialen Mikro- als auch Makrosystems verantwortlich. Mit etwa 2 Millionen Mobbingopfern in Deutschland ist ein großer Anteil der Bevölkerung von diesen folgenschweren Erfahrungen betroffen. Arbeitgeber sehen sich häufig nicht in der Verantwortung zum Schutz der Opfer einzugreifen. Es bedarf staatlichem Schutz und Regelungen, um diese Form psychischer Gewalt einzudämmen.
Inwieweit erachten Sie diesen Ist-Zustand als besorgniserregend? Sehen Sie diesen als Anlass dazu, die unzureichenden bestehenden Anti-Mobbing-Interventionen um ein einschlägiges Strafgesetz zu erweitern? Solche Regelungen bestehen bereits in neun europäischen Ländern, Ideen für einen deutschen Gesetzesentwurf liegen vor. Über 21.000 Petitionsunterzeichner*innen wenden sich mit dem Appell an Sie, hier tätig zu werden. Was tun Sie, um dieses Anliegen voranzutreiben?
Liebe Grüße,
I.P.
Sehr geehrte Frau Pfister,
vielen Dank für Ihre Nachricht zu diesem wichtigen Thema. Da ich Ihre Meinung über die gesellschaftliche Relevanz des Themas teile, habe ich mich noch einmal ausführlich informiert und die zuständigen SPD-Arbeitsgruppen um weitere Informationen gebeten. Deshalb mussten Sie eine gewisse Zeit auf Ihre Antwort warten, ich bitte dies zu entschuldigen.
Das von Ihnen bearbeitete Thema „Mobbing“ ist angesichts der steigenden psychosomatischen Erkrankungen und der Zunahme auch von Verrentungen und Krankheitszeiten aufgrund dieser Erkrankungen sehr wichtig. So lange die Debatten und Forschungen hierzu bereits dauern, für die betroffenen Menschen sind diese Zeiträume immer zu lang.
Die Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN forderte die Bundesregierung auf, ein Gesetz zum Schutz vor Mobbing vorzulegen. Mobbing soll als Rechtsbegriff definiert werden. Das Arbeitsschutzgesetz soll dahingehend konkretisiert werden, dass Arbeitgeber explizit verpflichtet werden, die Beschäftigten vor Mobbing zu schützen und hierzu vorbeugende Maßnahmen zu treffen. Darüber hinaus sollen Arbeitgeber verpflichtet werden, sobald sie Kenntnis von Mobbingfällen erhalten, geeignete, erforderliche und angemessene Maßnahmen zur Unterbindung zu ergreifen (z.B. Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung). Weiter wurde gefordert, dass den von Mobbing betroffenen Arbeitnehmern ein Leistungsverweigerungsrecht, Schadensersatzansprüche und Beweiserleichterungen im gerichtlichen Verfahren in einem speziellen Gesetz zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz eingeräumt wird. Die betroffenen Arbeitnehmer sollen zusätzlich ein Beschwerderecht bei den zuständigen Stellen des Betriebes erhalten. Beschäftigte die von Mobbing betroffenen Personen unterstützen oder als Zeugen aussagen, sollen durch ein Maßregelungsverbot geschützt werden. Außerdem wurde die Bundesregierung aufgefordert, einen neuen Mobbing-Report in Auftrag zu geben und sich auf eine regelmäßige Berichterstattung zu verständigen.
Entsprechend der geltenden Rechtslage befinden sich betroffene Arbeitnehmer im Falle des Mobbings am Arbeitsplatz schon heute nicht im rechtsfreien Raum. Mobbing ist als Eingriff in das durch Artikel 1 und 2 Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre und die Gesundheit anzusehen. Ein Arbeitgeber hat die Pflicht, seine Arbeitnehmer vor Belästigungen durch Vorgesetze, Mitarbeiter oder Dritte, auf die er Einfluss hat, zu schützen und ihnen einen menschengerechten Arbeitsplatz zur Verfügung zu stellen (BAG v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06). Er ist verpflichtet, die erforderlichen Gegenmaßnahmen zu ergreifen, die von Ermahnung, Abmahnung oder Versetzung bis zur Kündigung des Mobbenden gehen können. Darüber hinaus haftet der Arbeitgeber dem betroffenen Arbeitnehmer für schuldhaft begangene Persönlichkeits- oder Gesundheitsverletzungen durch die von ihm als Erfüllungsgehilfen eingesetzten Mitarbeitern und Vorgesetzen (BAG v. 25.10.2007 - 8 AZR 593/06). Der von Mobbing betroffene Arbeitnehmer kann sich ferner gegen Mobbing mit folgenden Möglichkeiten wehren: Recht zur Beschwerde, Anspruch auf Unterlassung bzw. Beseitigung der Beeinträchtigung und Recht zur Leistungsverweigerung bei fortdauerndem Mobbing sowie Schadensersatz und gegebenenfalls Schmerzensgeld. Je nach den Umständen des Einzelfalles kann es sich bei Mobbing sogar um Körperverletzung (§§ 223 ff. Strafgesetzbuch – StGB), Beleidigung (§§ 185 ff. StGB) oder auch Nötigung (§ 240 StGB) handeln. Diesen Sachstand werden Sie gewiss bereits kennen.
In diesem Zusammenhang spielt auch das Arbeitsschutzgesetz eine Rolle. Mit dem Arbeitsschutzgesetz werden Arbeitgeber zum vorbeugenden Arbeitsschutz einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit verpflichtet. Der Arbeitgeber muss eine Gefährdungsbeurteilung durchführen, die die physischen und psychischen Belastungen umfasst. Die explizite Nennung der psychischen Belastungen im Gesetz zielt darauf ab, das Bewusstsein der Arbeitgeber für psychische Belastungen, die auch durch Mobbing bei der Arbeit entstehen können, zu schärfen. Dies zeigt, dass der Gesetzgeber die mit Mobbing einhergehende Problematik am Arbeitsplatz ernst nimmt. Psychische Belastungen im Zusammenhang mit Arbeit können zudem in einem vertrauensvollen Gespräch zwischen dem Betroffenen und einem Arzt (Arbeitsmediziner) im Rahmen der arbeitsmedizinischen Vorsorge nach der Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) besprochen und es kann gemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Die Einhaltung des Arbeitsschutzgesetzes wird durch die Arbeitsschutzbehörden der Länder kontrolliert. Wenn Beschäftigte der Auffassung sind, dass die vom Arbeitgeber getroffenen Maßnahmen und bereitgestellten Mittel nicht ausreichen, um die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit zu gewährleisten, und der Arbeitgeber darauf gerichteten Beschwerden von Beschäftigten nicht abhilft, können sich die Beschäftigten an die zuständige Behörde wenden.
Aus den o.g. Gründen, dass es bereits jetzt die entsprechenden Möglichkeiten zum Schutz der Arbeitnehmer gibt, haben wir den Antrag von Bündnis 90/Die Grünen im Jahr 2017 abgelehnt und keinen Anlass für ein eigenständiges Gesetz zum Schutz vor Mobbing am Arbeitsplatz oder für Änderungen im Arbeitsschutzgesetz gesehen.
Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) hat das Projekt "Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt - wissenschaftliche Standortbestimmung" durchgeführt und die Ergebnisse am 5. Mai 2017 vorgestellt. Im Rahmen dieses Projektes wurde unter dem Themenkomplex "Soziale Beziehungen am Arbeitsplatz" auch das Thema Mobbing bearbeitet. Die Analyse der vorliegenden Arbeiten ergab, dass Mobbing als Stressor im Arbeitskontext wirkt. Mobbing ist in der Regel eingebettet in eine komplexes Struktur- und Verhaltensmatrix und nicht als isoliertes Phänomen zu betrachten. Dieser Erkenntnis folgend wird die BAuA in ihren weiteren Arbeiten zum Themenkontext "Soziale Beziehungen" auch das Thema Mobbing weiter berücksichtigen. Dazu bieten sich insbesondere eine stärkere Fokussierung auf methodisch anspruchsvolle Interventionsstudien an.
Es scheint nun so, als seien die besagten Anträge bisher noch nicht im Ausschuss abgeschlossen worden. Darüber hinaus sagt die parlamentarische Staatssekretärin Anette Kramme in einer der Ausschusssitzungen folgendes zum Thema Mobbing (lt. Ausschussprotokoll):
"Deutschland stehe nach der Ratifikation für zeitgemäße Arbeitnehmerrechte und Sozialstandards im Staatenverbund des Europarates ein. Zu den wichtigsten Neuerungen gehöre Artikel E der Charta, der vor allem ein umfassendes Diskriminierungsverbot für alle Arbeits- und Sozialstandards des Europarates vorschreibe und willkürliche Behandlungen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern verbiete. Der neu eingefügte Artikel 26 der Charta gewährleiste den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ein Recht auf Würde am Arbeitsplatz und schließe damit Mobbing und jegliche Formen der Belästigung aus".
Ich hoffe Ihnen den Sachstand der SPD-Bundestagsfraktion und mir damit ein wenig näher gebracht zu haben. Ihre Sorge über den Ist-Zustand kann ich verstehen. Deshalb sehe ich Ihre E-Mail als erneuten Auftrag an die SPD-Bundestagsfraktion und mich, nachzuhaken und erneut anzugehen. Ich nehme ihren Appell mit in meine Gespräche.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol