Frage an Sören Bartol von karlheinz S. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Bartol, als ihr Wähler, bitte ich folgende Frage zu beantworten:
Was halten sie von der beabsichtigten privatisierung der DB AG ?
Sehr geehrter Herr Strube,
vielen Dank für Ihre Frage zur Zukunft der Bahn. Auf der Grundlage eines Bundestagsbeschlusses vom November arbeitet das Bundesverkehrsministerium zurzeit an einem Gesetzentwurf für ein Privatisierungsgesetz.
Seit Beginn 2006 haben wir uns im Verkehrsausschuss und in der SPD-Bundestagsfraktion intensiv mit der Kapitalprivatisierung der DB AG beschäftigt. Wir haben das zu Beginn letzten Jahres vorgelegte PRIMON-Gutachten ("Privatisierungsvarianten der Deutschen Bahn AG mit und ohne Netz"), die Ergebnisse von Gutachtergesprächen und Anhörungen im Verkehrsausschuss sorgfältig analysiert und sind so zu einer - nach meiner Überzeugung - fundierten Entscheidung gekommen.
Mit den im November von Bundestag beschlossenen Eckpunkten bekennen wir uns zur uneingeschränkten staatlichen Infrastrukturverantwortung des Bundes. Ein funktionierendes Schienennetz ist eine Aufgabe der Daseinvorsorge, private Investoren werden daran nicht beteiligt. Die in Jahrzehnten aus Steuermitteln aufgebaute Eisenbahninfrastruktur als Volksvermögen bleibt erhalten. Sie steht der DB AG und allen Wettbewerbern zur Verfügung.
Zur Erfüllung des grundgesetzlichen Infrastrukturauftrages wird das Privatisierungsgesetz durch vertragliche bzw. gesetzliche Regelungen unterlegt, die umfassende Qualitätsziele für die Infrastruktur festschreiben. Die Vorgaben zur Pflege des Netzes sowie ein verlässliches und transparentes Monitoring für Neubaumaßnahmen sollen mit verbindlichen Durchsetzungsmechanismen kontrolliert werden, damit sie auch strikt eingehalten werden. Ein Netzzustandsbericht und die Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen werden Bestandteile der neuen gesetzlichen und vertraglichen Regelungen sein. Der Bund wird im Gegenzug einen jährlichen Infrastrukturbeitrag von 2,5 Mrd. Euro erbringen. Auf den Bund werden keine erheblichen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Infrastrukturübernahme zukommen. Auch zusätzliche Schulden und Risiken für den Bundeshaushalt werden ausgeschlossen.
Unser Ziel ist ein starker Mobilitätskonzern Deutsche Bahn AG, der die Chancen der 2007 bzw. 2010 anstehenden Öffnung der europäischen Eisenbahnmärkte im Güter- und Personenverkehr nutzen kann. Die DB AG bekommt schon jetzt durch die Einigung auf die Eckpunkte Planungssicherheit und kann ihren unternehmerischen Weg auf solider Basis fortsetzen. Sie wird für den internationalen Wettbewerb gestärkt. Die DB AG erhält die Möglichkeit, Schienenverkehr und Infrastruktur in einer wirtschaftlichen Einheit zu betreiben und zu bilanzieren. Damit erreichen wir auch Sicherheit für die 230.000 Beschäftigten der DB AG: der konzerninterne Arbeitsmarkt und das Beschäftigungsbündnis können fortgeführt werden.
Andere Bahnunternehmen werden ermutigt, schon bestehende Verkehre auszuweiten und neue Angebote zu entwickeln, weil sie sich auf einen diskriminierungsfreien Netzzugang und fairen Wettbewerb verlassen können; dazu werden die Regulierungsinstrumente der Bundesnetzagentur fortentwickelt.
1994 wurde mit der Gründung der DB AG ein insgesamt erfolgreicher Prozess eingeleitet. Die Qualität der Leistungen -- insbesondere durch die umfassende Modernisierung der Fahrzeuge und des Wagenmaterials -- und das Leistungsangebot (flächendeckende Taktfahrpläne) haben sich seit der Bahnreform erheblich verbessert. Die DB AG ist heute ein modernes und leistungsfähiges Bahnunternehmen, das seine Marktchancen insbesondere auch im internationalen Schienengüterverkehr und in logistischen Angeboten zu nutzen sucht. Die Qualitätsverbesserung für die Kundinnen und Kunden ist dabei ein wichtiger Maßstab.
Diesen Weg wollen wir weiter gehen. Wir streben eine Beteiligung privater Investoren an der DB AG, wohlgemerkt nicht an der Infrastruktur, noch in dieser Legislaturperiode an. In der parlamentarischen Beratung werden wir den Gesetzentwurf zur Kapitalprivatisierung der Deutschen Bahn sorgfältig daraufhin prüfen, ob er die von der Koalition aufgestellten Eckpunkte abdeckt und die beschlossenen verkehrs-, haushalts- und beschäftigungspolitischen Kriterien einhält. Unerlässliche Voraussetzung ist zudem, das die Bundesregierung die Kapitalmarktreife des Unternehmens DB AG dargelegt. Eine Anhörung am 23.5. hat gezeigt, dass es keine unüberwindbaren verfassungs- und bilanzrechtlichen Hürden bei der Umsetzung des Gesetzgebungsvorhabens gibt. Klarheit brachte die Anhörung insbesondere bei drei wichtigen Punkten:
- Die Verfassungsrechtler waren sich einig, dass das Grundgesetzbereits heute die Ausgestaltung der DB AG als integrierten Konzern zulässt.
- Mit der Leistungs- und Finanzierungsvereinbarung liegt ein weiteres Steuerungsinstrument vor, so dass die Infrastrukturverantwortung des Bundes rechtlich einwandfrei umgesetzt werden kann.
- Es bedarf im Bilanzrecht keiner "Lex DB", um die Bilanzierung der Eisenbahninfrastrukturinternehmen bei der DB AG zu ermöglichen.
Nach der Anhörung sind nun die beteiligten Bundesministerien gefordert, den Beschluss des Deutschen Bundestages vom November umzusetzen. Wir erwarten eine baldige Kabinettsbefassung, auf die dann das parlamentarische Verfahren folgt.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol