Wie stehen Sie zur sogenannten "Schuldenbremse"?
Sehr geehrter Herr Rix,
in den letzten Jahrzehnten hat der Staat sich als wirtschaftlicher Akteur stark zurückgenommen. Nun werden Versäumnisse in Infrastruktur, Energiewende, Katastrophenschutz und vieles mehr offensichtlich, und neue gewaltige Aufgaben kommen hinzu.
In den USA hat Jo Biden ("Trickle-down-economy never worked.") ein Investitionsprogramm vorgelegt und ist bereit, mehrere Billionen Dollar dafür in die Hand zu nehmen. Offensichtlich ist er nicht der Meinung wie viele neoliberale Ökonomen und Politiker in Europa, dass der Staat keine Schulden machen dürfe um "nachfolgende Generationen nicht zu belasten", sondern verfolgt eine moderne, progressive Geldpolitik im Sinne der Modern Money Theory.
Wären Sie angesichts der zukünftigen Aufgaben bereit sich dafür einzusetzen, dass auch in Deutschland das Dogma der Schuldenbremse überwunden wird, oder glauben Sie, dass der Staat sich wirklich wie die "schwäbische Hausfrau" verhalten müsse?
Mit freundlichen Grüßen
Kirsten Bock
Sehr geehrte Frau Bock,
der Investitionsdruck, dem Bund, Länder und Kommunen gegenüberstehen, ist enorm. Es sehr wichtig, dass die nächste Bundesregierung das nötige Geld in die Hand nimmt, um dort zu investieren, wo es derzeit fehlt. Klar muss aber auch sein: Ausgaben, Einnahmen und Verschuldung des Staates müssen in einer Balance zueinander stehen. Eine unbegrenzte Verschuldung kann, auch im Hinblick auf die nachfolgenden Generationen, niemand wollen.
Während meiner ersten Legislaturperiode im Deutschen Bundestag war die Schuldenbremse bereits Thema. Im Zuge der Abstimmung zur Föderalismusreform II im Jahr 2009 habe ich gegen die Reform gestimmt. Grund hierfür war unter anderem die Schuldenbremse. Für mich haben damals folgende Aspekte eine besondere Bedeutung gehabt:
Ich setze mich nachdrücklich dafür ein, dass die Souveränität der Länder zur Gestaltung ihrer Landeshaushalte gewahrt bleibt und hier nicht unangemessene Festlegungen und Eingriffe stattfinden können.
Die unterschiedliche Höhe der verfassungsmäßigen Defizite zwischen Bund und Ländern sah und sehe ich sehr kritisch. Eine strukturelle Verschuldungsmöglichkeit der Länder in Höhe von 0,0 Prozent ist verfassungsrechtlich hochproblematisch, diskriminierend im Verhältnis von Bund und Ländern und ökonomisch bedenklich.
Auch und insbesondere das Land Schleswig-Holstein hatte in der Vergangenheit von den Möglichkeiten der Bund-Länder-Kooperation zur Finanzierung von Bildungsinvestitionen nachhaltig profitiert. Kooperationsverboten, wie sie damals leider noch einmal im Grundgesetz festgelegt wurden, konnte ich ebenfalls nicht zustimmen.
Mit freundlichem Gruß
Sönke Rix