Frage an Sönke Rix von Jjürgen M. bezüglich Gesundheit
Guten Tag Herr Rix! (Quelle: taz 14.10.08; BA f. Verbraucherschutz)
Bitte um Mitteilung, wie Sie zu der Tatsache stehen, daß fast 100% des in den Märkten angebotenen "konventionell" erzeugten Frischgemüses kleine Mengen Pestizide enthalten, deren
Wirkung auf Organismen, vor allem im Zusammenspiel verschiedener Pestizide in einem Lebensmittel, offenkundig nicht erforscht ist. Was können Sie den vielen Menschen raten, die auf preisgünstige Nahrungsmittel angewiesen sind? Wenn wir jetzt alle damit anfangen, nur noch Ökogemüse und -obst zu konsumieren, wie lange könnte es dauern, bis der Markt reagiert und nur noch einwandfreie Nahrung erhältlich ist? Muß das Zulassen der Vergiftung unserer Nahrung nicht endlich kriminalisiert werden, auch wenn der Gesetzgeber sich dann wegen der Nachgiebigkeit gegenüber der Lobby der Lebensmittelindustrie selbst in Frage stellen müßte?
Freundlichen Gruß J. Meyer
Sehr geehrter Herr Meyer,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Gerade letzte Woche hat der Deutsche Bundestag über einen Antrag der Koalitionsfraktionen zum Pflanzenschutzmittelgesetz beraten. Ich meine: jede Überschreitung der gesetzlichen Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel in Lebensmitteln ist eine zuviel. Pflanzenschutzmittel sollen vor Krankheiten, Schädlingen und Unkräutern bewahren. Die Grenzwerte müssen allerdings sicher sein, Grenzwertüberschreitungen verfolgt werden und Belastungen durch Vielfachrückstände müssen durch das Anbauverfahren erklärbar sein.
Die von Ihnen erwähnte Kriminalisierung der Vergiftung findet bereits heutzutage statt. Liegt die Belastung über den festgelegten Grenzwerten, ist dies illegal.
Über den erwähnten Antrag verhandeln wir schon seit 2006 - die Beschäftigung mit der Belastung von Lebensmitteln findet also nicht erst seit gestern statt. Der Aufbau einer zentralen Datenbank ist beispielsweise bereits erfolgt, genauso wie die Einführung harmonisierter Rückstandshöchstwerte in Europa. Wir wollen die Schwerpunkt- und Risikoüberwachung durch die Länder besser strukturieren, Nachkontrollen verstärken und vor allem die Ahndung der Verstöße verschärfen. In erster Linie müssen die Erzeuger und der Handel in die Pflicht genommen werden, damit einwandfreie und unbelastete Lebensmittel erhältlich sind. Der allergrößte Teil des Berufsstandes tut dies, doch es gibt noch immer schwarze Schafe. Diese sollten auch im Sinne der ordentlich arbeitenden Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir werden uns bei unserer Arbeit nicht von der Lobby der Lebensmittelindustrie beeinflussen lassen und fordern die Bundesregierung auf, gemeinsam mit den Ländern dafür zu sorgen, dass die Belastung durch Pflanzenschutzmittelrückstände in Lebensmitteln minimiert wird.
Durch die Änderung des Pflanzenschutzgesetzes können wir das rechtliche Gerüst für gesunde und pestizidfreie bzw. -arme Nahrungsmittel schaffen, das Grundproblem kann allerdings nicht nur von staatlicher Seite gelöst werden. Neben dem Handel und den Erzeugern, die Verantwortung übernehmen und moralisch handeln müssen, ist auch jeder einzelne Bürger gefordert. Ich rate den Konsumenten, sich darauf zu besinnen, woher die Ware kommt, die sie verzehren. Wer sich für regionale Produkte entscheidet, unterstützt die hiesige Wirtschaft und kann durch sein Nachfrageverhalten auch das vorhandene Sortiment beeinflussen. Wer trotz eines geringen Budgets auch zum Biogemüse greift, entscheidet sich für eine gesündere Ernährungsweise und das geringer belastete Produkt. Dass die Verbraucher am Angebot in den Supermärkten etwas ändern können, ist in den Discountern, die inzwischen oft eigene, kostengünstige Biomarken anbieten, zu sehen.
Ein Zeitpunkt, wann der Markt fast nur noch einwandfreie Nahrung bietet, kann ich nicht prognostizieren. Wichtig ist, dass jeder seinen Teil zu der Entwicklung beiträgt, um möglichst schnell einen Schutz der Gesundheit der Menschen, insbesondere der Älteren und Kinder, zu erreichen.