Frage an Sönke Rix von Carl C. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Rix,
ich will an die Frage des Herrn J. Meyer zum bedingungslosen Grundeinkommen und ihre Antwort darauf vom 5. Februar 2007 anknüpfen. Vielleicht können Sie noch etwas konkreter anhand der nachfolgenden Fragen werden.
1. Wie hoch schätzen Sie den Anteil der erwerbsfähigen Bevölkerung ein, der im Falle einer Einführung des Bürgergeldes auf seine Teilhabe am Erwerbsleben verzichten würde, weil es sich, wie Sie sagen, dann nicht mehr "lohnt", arbeiten zu gehen?
2. Inwiefern ist die Abkoppelung eines Grundeinkommens von der Notwendigkeit der Erwerbstätigkeit arbeitsmarkt- und sozialpolitisch abenteuerlich und ungerecht. Gilt das auch für andere Arten von Einkommen, die ohne jegliche Erwerbstätigkeit erzielt werden, wie beispielsweise für Einkünfte von Millionärserben, die nichts tun, außer das ererbte Geld anzulegen?
3. Welche Vorteile haben sich für Sozialhilfeempfänger ergeben, die aus der Sozialhilfe herausgeholt und in den "Hartz-IV-Topf" hineingesteckt worden sind?
Ich freue mich auf Ihre Antwort!
Sehr geehrter Herr Carstens,
1. Mir sind keine Schätzungen bekannt, das würde sicher auch von der Ausgestaltung eines bedingungslosen Grundeinkommens abhängen. Ich muss die Frage aber auch nicht beantworten können, wie hoch der Anteil derjenigen sein wird, die vom Grundeinkommen leben und die sich nicht an seiner Erwirtschaftung beteiligen. Ein schlüssiges Finanzierungsmodell müssen diejenigen vorlegen, die dieses System propagieren. Ebenso, wie es eine stichhaltige Darstellung geben müsste, die belegt, dass der komplette sozialpolitische Systemwechsel, den das bedingungslose Grundeinkommen zweifellos darstellen würde, ohne Risiken zu bewerkstelligen wäre.
Aus Gesprächen mit Fachleuten aus der Arbeitsverwaltung und solchen, die sich z. B. um die Qualifizierung von arbeitslosen Jugendlichen bemühen, weiß ich, dass besonders Menschen, die ausschließlich erfahren mussten, dass sie im Arbeitsprozess nicht „gebraucht“ werden, sich schnell an einen Zustand gewöhnen, der sie in letzter Konsequenz von Arbeit, sozialem Aufstieg und Wohlstand ausschließt. In solchen Fällen würde ein bedingungsloses Einkommen zu einer „Stilllegungsprämie“: Die Empfänger geraten in eine Situation, in der es schwierig wird, sich selbstbewusst und selbstbestimmt eine bessere Lebensperspektive zu erarbeiten. Deshalb halte ich es für richtig, am Ziel „Arbeit für alle“ fest zu halten, auch wenn heute niemand versprechen kann, dass es für jeden, der eine Erwerbsarbeit sucht, auch einen Vollerwerbsarbeitsplatz gibt.
2. Ich halte eine Gesellschaft, in der jeder sich nach seinen Kräften und Möglichkeiten an der Finanzierung des Wohlstandes beteiligt, für gerechter, als eine, in der nur diejenigen das benötigte Geld erwirtschaften, denen das zugestandene Grundeinkommen zu gering ist. Zu der Frage, was z. B. mit ererbtem Vermögen geschehen soll, habe ich mich in meiner unten stehenden Antwort an Herrn Voigt schon geäußert.
3. Der Vorteil für die ehemaligen Sozialhilfeempfänger liegt für mich darin, dass alle erwerbsfähigen Personen den gleichen Zugang zur Unterstützung bei der Integration in den Arbeitsmarkt haben. Vermutlich Ende 2008 werden die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bewertung von Hartz IV vorliegen. Dann werden wir sehen, welche Bevölkerungsgruppen zu den „Hartz-IV-Gewinnern“ zählen, welche zu den Hartz-IV-Verlierern gehören und welche Entwicklungen bei der Grundsicherung korrigiert werden müssen.