Frage an Sönke Rix von Beate H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Rix,
Ich bin Frührentnerin und muss leider zuverdienen im 450€ Sektor. Es war mal die Rede davon das die Hinzuverdienst Grenze angehoben werden sollte. Das ist auch dringend notwendig, da der Mindestlohn angestiegen ist. Im Reinigungsgewerbe bedeutet das, das die Arbeitszeiten auf dem Papier gekürzt werden. Aber die Arbeit lässt sich deshalb nicht schneller verrichten. Also nützt diese Erhöhung nicht wirklich für Leute wie ich.
Wird an der Erhöhung der Hinzuverdienst Grenze für Frührentner eigentlich aktiv gearbeitet?
Mit freundlichem Gruß
B. H.
Sehr geehrte Frau H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich kann Ihre Forderung gut verstehen. Für Sie wäre es natürlich günstiger, wenn Sie mehr hinzuverdienen könnten. Die Sache hat aber auch noch eine andere Seite und ist etwas komplizierter:
Wir wollen, dass möglichst viele Menschen sozialversicherungspflichtig arbeiten und so umfassend in allen Zweigen unserer Sozialversicherung abgesichert sind. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sollen zu fairen Löhnen eingestellt werden, bezahlten Urlaub haben, sich im Krankheitsfall auf Entgeltfortzahlung verlassen können, im Falle einer Arbeitslosigkeit abgesichert sein und, falls eine Arbeitsunfähigkeit droht, Anspruch auf Erwerbminderungsrente haben.
Für uns ist gerade die Erhöhung des Mindestlohns daher kein Grund, die Einkommensgrenze für Minijobs anzuheben. Vielmehr sollte dadurch der Anreiz bei Arbeitgebern entstehen, mehr Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sozialversicherungspflichtig anzustellen. Denn Minijobs sollen nicht in eine berufliche Sackgasse führen, sondern nur eine Brücke in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung sein.
Das gilt insbesondere in den Branchen, in denen man häufig Minijobs vorfindet wie beispielsweise im Reinigungsbereich, im Verkauf, im Büro und in der Gastronomie. Diese Branchen haben in der Vergangenheit sehr davon profitiert, dass es wenig Kontrollmöglichkeiten gab – die schlechtesten Arbeits- und Lohnbedingungen gab es gerade in diesen Branchen.
Eine kontinuierliche Anhebung der Einkommensgrenze für geringfügige Beschäftigungen würde zu steigenden Beitragsausfällen zu Lasten der Sozialversicherung führen. Außerdem würde den betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der nach geltendem Recht bei einem Verdienst über der Geringfügigkeit (jetzt 450 Euro) einsetzende Sozialversicherungsschutz vorenthalten werden.
Mit dem RV-Leistungsverbesserungs- und Stabilisierungsgesetz unterstützen wir die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigung:
Die bisherige Gleitzone (neu: Übergangsbereich) bis 850 Euro, in welcher es eine Beitragsentlastung in der Sozialversicherung gibt, wird auf Arbeitsentgelte von 450,01 – 1.300 Euro deutlich ausgedehnt. Wir entlasten damit auch Beschäftigte, die durch die Anhebung von Mindest- und Tariflöhnen mit ihrem Einkommen in diesen Übergangsbereich kommen. Und anders als bisher in der Gleitzone führen die reduzierten Rentenversicherungsbeiträge künftig nicht mehr zu geringeren Rentenleistungen.
Vielfach wird behauptet, dass rund die Hälfte aller Personen, denen eine Mindestlohnerhöhung zugutekommen sollte, von dieser praktisch nicht profitieren, da die starre Verdienstgrenze sie dazu zwinge, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Diese Schlussfolgerung würde aber nur dann zutreffen, wenn bei jedem geringfügig entlohnten Beschäftigungsverhältnis bereits jetzt die Grenze der geringfügigen Beschäftigung erreicht würde.
Dies ist jedoch nicht der Fall. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft Bahn See betrug im Jahr 2017 der durchschnittliche monatliche Verdienst von im gewerblichen Bereich angestellten Minijobbern rund 309 Euro, von in Privathaushalten beschäftigten Minijobbern sogar nur rund 182 Euro. Lediglich 33 % der Minijobber im gewerblichen Bereich verzeichneten ein monatliches Arbeitsentgelt im Bereich zwischen 400 und 450 Euro.
Ein Drittel aller Minijobber könnte somit theoretisch durch die Anpassung des gesetzlichen Mindestlohnes oder durch die Anpassung von Tariflöhnen in ein versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis hinübergleiten.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen vermitteln, dass es gute Gründe dafür gibt, warum wir die Hinzuverdienst-Grenze nicht anheben wollen, und daher daran auch nicht gearbeitet wird.
Mit freundlichem Gruß
Sönke Rix