Frage an Sönke Rix von Klaus D. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Guten Tag Herr Rix,
aktuell wird in den Medien berichtet, dass die Firma Google die Datenbrille Google Glass, kurz "Googlebrille" im kommenden Jahr 2015 in Deutschland einführen will. Mit dieser Brille kann der Träger nicht nur Informationen aus dem Internet abrufen,sondern (vermutlich unbemerkt) auch fotografieren und filmen.
Hierdurch steht m. E. die informationelle Selbstbestimmung von allen Bürgern in Frage. Kann ich davon ausgehen, dass der Deutsche Bundestag rechtzeitig, d.h. in Kürze für die Nutzung der Googlebrille einen gesetzlichen Rahmen vorgibt?
Wenn nicht, könnte das derzeit verhandelte Freihandelsabkommen mit den USA einen solchen Rahmen unmöglich machen,falls entsprechende Regelungen nicht vorher in Kraft treten?
Mit freundlichen Grüßen
Klaus Deuber
Sehr geehrter Herr Deuber,
in den USA ist die Google-Brille seit Mitte Mai frei verkäuflich und Google wird voraussichtlich Ende dieses Monats entscheiden, ob die Brille auch in Deutschland auf den Markt kommt. Einzelne Entwickler konnten aber bereits zu Testzwecken eine Brille erwerben.
Ich teile Ihre Befürchtung, dass durch diese versteckte Kamera das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürgerinnen und Bürger zunehmend ausgehöhlt wird, zumal die mit Google Glas aufgenommenen Bilder und erfassten Daten sofort auf Googles Servern gespeichert werden. Diese liegen fast ausnahmslos im Ausland und sind durch unsere Datenschutzgesetzgebung nicht mehr zu erreichen.
Was Ihre persönlichen Abwehrrechte gegen Fotoaufnahmen mit der Google-Brille angeht, sind Sie nicht ganz so wehrlos, wie es auf den ersten Blick erscheint. Im rechtlichen Sinne stellt die Brille eine Kamera dar und es gelten die gleichen Regelungen, wie wenn Sie mit einer herkömmlichen Kamera oder einem Handy fotografiert werden. Hier müssen Sie die Einschränkungen Ihrer Persönlichkeitsrechte nicht hinnehmen. Vielmehr stehen Ihnen dieselben Abwehrrechte (Recht auf Löschen des Bildes, Untersagung von Filmaufnahmen) bis hin zur Möglichkeit des Festhaltens des "Fotografen" gem. §127 StPO zur Verfügung.
Zu der Frage, ob ein neues "Google-Glass-Gesetz" erforderlich ist, verweise ich auf den Wissenschaftlichen Dienst des Deutschen Bundestages, der auf meine Nachfrage zu folgendem Ergebnis gekommen ist: "Da das allgemeine Persönlichkeitsrecht unabhängig von irgendeiner Technik rechtliche Geltung hat und bestehende Regelungen sowie die Rechtsprechung zu sozialen Netzwerken und Smartphones auf Google Glass übertragen werden können, wird unser Rechtssystem den neuen Herausforderungen voraussichtlich gewachsen sein. Nutzer von Google Glass und die Gesellschaft insgesamt sollten sich aber der von Google Glass ausgehenden besonderen Gefahr für die Persönlichkeitsrechte bewusst sein. ... Die Allgemeinheit sollte daher ihr Recht, sich gegen ungerechtfertigte Aufnahmen zur Wehr setzen zu dürfen, auch einfordern." (Wissenschaftlicher Dienst, 12.06.2014, Seite 14)
Ihre Befürchtung, dass es im Rahmen der Verhandlungen zum Atlantischen Freihandelsabkommen TTIP zu einer Aufweichung oder gar Aufhebung der Persönlichkeitsrechte kommt, teile ich nicht. Alle Verhandlungspartner auf deutscher Seite haben immer wieder betont, dass es zu keinerlei Aufweichungen der deutschen/europäischen Verbraucherschutzrechte und -standards kommen wird.
Ich werde allerdings Ihre Anfrage an unsere zuständigen Kolleginnen und Kollegen in den Arbeitsgruppen "Internet und Digitale Agenda" und "Justiz und Verbraucherschutz" weiterleiten.
Mit besten Grüßen
Ihr
Sönke Rix