Frage an Sönke Rix von Karin V. bezüglich Landwirtschaft und Ernährung
Lieber Sönke Rix!
Mein Mann und ich bewirtschaften einen Milchviehbetrieb in der Nähe Rendsburgs. Wir leben hier mit Großeltern, Urgroßmutter(pflegebedürftig) und 3 (von 5) Kindern und etwa 110 Kühen und deren Nachzucht. Wir lieben unser Leben und unsere Arbeit und möchten mit niemand tauschen. Doch leider ist die wirtschaftliche Situation derart desolat, dass zur Zeit kein wirtschaftlicher Betrieb mehr möglich ist!
Wie Sie sicher aus den Medien wissen, machen wir täglich gewaltige finanzielle Verluste. Um den Betrieb aufrechtzuhalten, müssen alle, d,h. sowohl die großen Kinder als auch die im Rentenalter befindlichen Großeltern mehr mitarbeiten, als ihnen zuzumuten ist. Sozialverträglich ist das sicher nicht!!!
Es hätte zu diesem Fiasko nicht kommen müssen, wenn einige Politiker im letzten Jahr bessere Entscheidungen getroffen hätten!
Durch den Milchlieferstopp im Mai/Juni 2008 und die darauf folgenden Gespräche haben wir Milchbauern auf die Gefahren hingewiesen und Lösungsmodelle vorgestellt. Die Umsetzung der Lösungen wurden politisch durchweg torpediert.
Was wollen Sie jetzt tun, um das Elend auf dem Lande zu mindern?
Ist Ihnen bewusst, dass 250000 Arbeitsplätze in der Landwirtschaft in Gefahr sind?
Wissen Sie, welchem sozialen Elend die Familien ausgesetzt sind und welche Folgen das für die Jugend haben wird???
Bedenken Sie auch, wie drastisch sich die Landschaft in unserem touristisch geprägten Land verändert, wo heute schon etliche Flächen der Maismonokultur für die betriebswirtschaftlich sehr lukrativen Biogasanlagen zugeführt werden.
Glauben Sie, dass Sie noch Kühe auf der grünen Wiese finden werden in einem Land ohne bäuerliche Landwirtschaft?
Aufgrund des Milchpreisverfalls kann nur Agrarindustrie übrig bleiben!
Ist das von Ihnen gewollt?
Glauben Sie wirklich, dass die Menschen, die Sie vertreten sollen, das wollen?
Die SPD hat sich nicht hinter uns Landwirte gestellt, da fällt es mir schwer, sie wieder zu wählen.
Mit freundlichen Grüßen, auf Hilfe hoffend!
Karin Voss
Sehr geehrte Frau Voss,
entschuldigen Sie bitte, dass ich erst jetzt antworte. Ich habe zunächst Kontakt zu den Fachpolitikern meiner Fraktion aufgenommen.
Ich kann mir vorstellen, dass die gegenwärtige Situation auf dem Milchmarkt für Sie wie für andere Milchviehhalter sehr deprimierend ist. Ich hatte für die Forderungen der streikenden Milchbauern vollstes Verständnis, denn ich halte eine Erhöhung der Auszahlungspreise für Milch für gerechtfertigt.
Der Grund für den gegenwärtigen Preisverfall ist vor allem das Überangebot an Milch auf dem Weltmarkt. Die EU ist verantwortlich für ca. 50 Prozent der Milchmenge bzw. 15 Mio. t. Milch, die auf dem Weltmarkt gehandelt werden.
Der deutsche Milchmarkt ist sehr eng mit dem internationalen Markt verflochten. Wir exportieren etwa 44 Prozent unserer heimischen Produktion und importieren etwa 40 Prozent unseres Verbrauchs. Vor allem die Weltwirtschaftskrise hat zu einem Nachfragerückgang in wichtigen Importländern geführt. Darüber hinaus hat die europäische Lebensmittelindustrie im letzten Jahr aufgrund der damals hohen Milchpreise ihre Rezepturen auf alternative Rohstoffe umgestellt. Die Verwendung von Milch ist in diesem Bereich um knapp 20 Prozent gesunken. Dies führt zu einem strukturellen Milchüberangebots in Deutschland.
Zudem weist die deutsche Milchindustrie im Hinblick auf ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit eine sehr ungünstige Struktur auf. Der Molkereisektor hat der starken Marktposition des Lebensmitteleinzelhandels wenig entgegenzusetzen.
Ich kann Ihnen nur ehrlich sagen: Die Probleme des Milchsektors sind vielfältig und lassen sich nicht von einem Tag auf den anderen beheben. Aber - so wurde mir von den Agrarpolitikern meiner Fraktion versichert: Die SPD lässt die deutschen Milchviehhalter nicht im Stich!
Aufgrund der föderalen Struktur sind allerdings in erster Linie die Bundesländer dafür zuständig, die erforderlichen Maßnahmen zur Unterstützung der Landwirte zu entwickeln und umzusetzen. In der derzeitigen schwierigen Situation haben gerade unsere SPD-Landesagrarminister ihre Handlungsfähigkeit unter Beweis gestellt: Zusammen mit dem Bund und den CDU/CSU-regierten Ländern haben sie Anfang April zusätzlich zu bereits bestehenden Maßnahmen ein umfangreiches Maßnahmenbündel beschlossen, das insbesondere die Milchviehbetriebe stärken wird. Dazu gehören auch kurzfristig eingeführte zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen. U. a. wird die Prämie für Agrarumweltmaßnahmen einschließlich der Sommerweideprämie und des Ökolandbaus erhöht. Im Einzelnen bedeutet dies, dass die Regelobergrenze für die Ausgleichszulage für Landwirte in benachteiligten Gebieten auf bis zu 200 Euro je Hektar und die Sommerweide-Prämie auf 50 Euro je Großvieheinheit erhöht wird.
Hinzu kommt eine verbesserte Förderung von Investitionen zur Einkommensdiversifizierung für land- und forstwirtschaftliche Betriebe, die mit anderen Partnern im ländlichen Raum kooperieren. Milcherzeuger, die ihre Betriebe bereits auf die Zeit nach dem Ausstieg aus der Milchquote 2015 anpassen wollen, erhalten eine deutlich erhöhte Investitionsförderung.
Ihren Beitrag zur Krisenbewältigung müssen aber nun auch die anderen Beteiligten leisten, damit die Milchwirtschaft in Deutschland eine Perspektive hat. Unter anderem müssen die deutschen Molkereien endlich die erforderlichen Anpassungsmaßnahmen umsetzen, die sie seit Jahren vor sich herschieben.
Mit freundlichen Grüßen
Sönke Rix