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Simone Tolle
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Frage von Karin H. •

Frage an Simone Tolle von Karin H. bezüglich Kultur

Sehr geehrte Frau Tolle,

seit ettlichen Jahren gibt es die Idee von Dr. Werner "Grundlohn für Alle".
Wie stehen Sie dazu und welche Chancen sehen Sie für eine Umsetzung dieser vollkommen neuen Gesellschaftsstruktur?
Werden unsere SchülerInnen nicht schon durch den Lehrplan in Schulen stark auf das jetztige Wirtschafts- und Leistungssystem hin erzogen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau Hartmann-Neudek,

die Idee einer Grundsicherung kann ich natürlich nicht in einigen Sätzen kommentieren. Die Grünen haben sich mit dem Thema anlässlich unseres letzten Parteitags in Nürnberg sehr intensiv beschäftigt. Ich stehe voll hinter dem Beschluss, der unter
_http://www.gruene.de/cms/partei/dokbin/207/207470.aufbruch_zu_neuer_gerechtigkeit.pdf_
(http://www.gruene.de/cms/partei/dokbin/207/207470.aufbruch_zu_neuer_gerechtigkeit.pdf) nachgelesen werden kann.
Hier in aller gebotenen Kürze meine Meinung dazu: Ich will eine Gesellschaft, in der alle die Chance zur Entfaltung ihrer Fähigkeiten bekommen und niemand ausgegrenzt wird. Wir können festhalten, dass vor allen Dingen Kinder Opfer dieser Gesellschaft sind und zwar die Kinder, deren Eltern arm sind. Ich meine, von 2,50 Euro am Tag so wie in Hartz IV vorgesehen, kann kein Mensch ein Kind ernähren. Wer das dennoch meint, dem empfehle ich den Selbstversuch. Wir können auch festhalten, dass die Angst vor dem Abstieg die Mitte der Gesellschaft erreicht hatn.
Gerechtigkeit ist für uns Grüne deshalb mehr als ein Grundeinkommen. Wir wollen die Verbindung von Verteilungsgerechtigkeit, Teilhabegerechtigkeit, Generationengerechtigkeit und Geschlechtergerechtigkeit. Wir wollen einen ermutigenden Sozialstaat und eine bedarfsorientierte Grundsicherung. Deshalb brauchen wir zunächst eine kritische Auseinandersetzung mit Hartz IV. Positiv an Hartz IV ist für uns die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und der damit verbundene Zugang vormaliger Sozialhilfeempfänger zur aktiven Arbeitsmarktförderung. Positiv ist für uns auch der Ansatz der fächerübergreifenden Hilfe, des Fallmanagements.
Als schlecht bewerten wir:
Die Verschärfung der Zumutbarkeitsbedingungen
Den geringen Schutz der privaten Altersvorsorge
Zu niedrige Zuverdienstgrenzen
Die vollständige Anrechnung von Partnereinkommen
Die nicht vorhandene Balance zwischen Fordern und Fördern
Dass Arbeitsagentur und arbeitslose Menschen nicht auf gleicher Augenhöhe
sind.
Um diese Missstände anzugehen fordern wir ein befristetes Sanktionsmoratorium. Außerdem wollen wir einen paritätisch besetzten Widerspruchsausschuss mit aufschiebender Wirkung.

Die Grünen stellen sich eine Regelleistung von 420 Euro vor. Diesen Betrag hat der deutsche paritätische Wohlfahrtsverband vorgeschlagen. Die 420 Euro sollen regelmäßig angepasst werden. Die Wohnkosten sollen sich am örtlichen Mietspiegel orientieren.

Wichtig ist auch, dass wir eine Grundsicherung UND einen Mindestlohn wollen. Denn: Ein Großteil der Probleme von heute lässt sich allein mit der Grundsicherung nicht lösen.

Die Grünen sagen aber auch:
Wenn wir Armut nicht nur lindern, sonderen vermeiden wollen, brauchen wir Investitionen in eine gute Bildungsinfrastruktur. Wir wollen außerdem über eine gute Steuerpolitik mehr Verteilungsgerechtigkeit erreichen. Die Sozialversicherungen sollen zu Bürgerversicherungen weiter entwickelt werden. Für mehr Geschlechtergerechtigkeit fordern wir die Abkehr vom überholten "Alleinernährermodell". Der Zugang zur aktiven Arbeitsmarktförderung muss gerade für Frauen offen stehen. Der Lohnunterschied für Frauen muss abgebaut werden.

Neben einer Grundsicherung brauchen wir aber auch eine umfassende
Hilfestruktur (z.B. Schuldnerberatung, psychosoziale Hilfen).

Auf die Frage, ob unsere SchülerInnen nicht schon durch den Lehrplan auf das jetztige Wirtschafts- und Leistungssystem erzogen werden antworte ich natürlich auch gerne:
Die Lehrpläne im Fach Wirtschaft halte ich eigentlich für im Großen und
Ganzen annehmbar. Ich habe selbst unterrichtet und es war immer möglich, auch andere Positionen zu Wort kommen zu lassen.
Ich bin aber der Meinung, dass unser Schulsystem selbst mittlerweile zum Ellbogensystem geworden ist, in dem sich immer nur die Reichen durchsetzen können:
So schreibt selbst der bayerische Bildungsbericht, dass Bildungserfolg statistisch signifikant und bedeutsam vom Einkommen der Eltern abhängt. Unsere Kinder lernen also schon früh ganz unbewusst, dass es nicht darauf ankommt, was SchülerInnen können, sondern wie dick der Geldbeutel ihrer Eltern ist. Eine weitere Komponente kommt nach der 4. Klasse hinzu: Hier werden durch den Übertritt Chancen vergeben: Mit 10 Jahren wird entschieden, ob das Kind nach oben kann, in der Mitte landet, oder ob wir es nach unten durchreichen. Das ist nicht nur kinderfeindlich, es verstößt meiner Meinung auch gegen die Menschenwürde.
Ich werde alles tun, um das immer wieder anzuprangern, denn ich möchte, dass jedes Kind eine Chance erhält.

Herzliche Grüße
Simone Tolle