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Simon Lissner
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Frage von Tobias B. •

Frage an Simon Lissner von Tobias B. bezüglich Verkehr

Hallo Simon,

ich sitze vor meinen Briefwahlunterlagen und niemals ist mir das Wählen so schwer gefallen wie diesmal. Es gibt einen Punkt in dem Grünen Programm was mich (bestimmt viele andere Deutsche auch) nahezu unendlich abschreckt: "Tempolimit von 120 km/h auf Autobahnen und 30 km/h in den Städten"
Schon heute haben wir überall dort wo es Sinn macht Geschwindigkeitsbegrenzungen. Die "freie Fahrt" drückt ja auch ein bisschen die freude am Fahren aus, die in Deutschland mit samt Automobil tief verwurzelt ist und ist nahezu der letzte Spaß der dem deutschen Autofahrer heute noch gegönnt wird. Mehr Unfälle gibt es bei uns auch nicht als bei anderen.
Klar steigt der Spritverbrauch bei über 130 km/h und somit auch die Emissionen an. Jedoch betrachtet man jetzt NUR den MEHRVERBRAUCH der bei schnellem Fahren und auf den freien Teilstrecken der Autobahnen zustande kommt, ist das auf die Gesamtemissionen in Deutschland ein Witz, über den es sich nicht zu unterhalten lohnt. Zumal dieses Thema bei alternativen Antriebstechniken ohnehin fast hinfällig wird. Allein durch einen sechsten Gang wird enorm Sprit eingespart. Der Fokus sollte also auf neuen (verbrennungs) Techniken liegen.
Ich für meinen Teil fahre zur Zeit Kettler Alu Rad und würde mich freuen wenn ich auch in Zukunft, wenn ich mal aufs Auto angewiesen sein sollte mit 160+ km/h fahre könnte um somit viel Fahrzeit einzusparen. Dennoch wird die Durchschnittliche Geschwindigkeit auf einer Strecke Limburg - Berlin seltenst über 96 km/h liegen.

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Lieber Tobias,

das Problem ist, so meine ich differenzierter zu betrachten. Dem gelegentlichen Fahrspaß über 120/130 ließe sich gewiss, sozusagen als "Spielwiese", Raum verschaffen. Du hast außerdem ja selbst die Erfahrung gemacht, dass es praktisch kaum mehr Strecken auf den Autobahnen gibt, die nicht irgendwie Geschwindigkeitsgeregelt sind. Die Durchschnittsgeschwindigkeit und die Reisezeiten helfen in der Betrachtung auch nicht wirklich weiter. Als beruflicher Vielfahrer (im Außendienst in Hessen, Thüringen, RP, NRW-Süd, Luxemburg) kann ich bestätigen, dass es weder auf längeren noch kürzeren Strecken, signifikante Zeitersparnisse durch kurzzeitig hohe Geschwindigkeiten gibt. Es geht also nicht darum, ob eine Geschwindigkeitsbegrenzung einen am schnelleren, respektive kürzeren Erreichen eines Zieles hindert oder nicht. Da habe ich jedenfalls allerbeste Erfahrungen mit meinem Tempomat. Tatsächlich wird durch den Verzicht auf einheitliche Geschwindigkeitsbegrenzung nachgewiesenermaßen folgendes erreicht:
An erster Stelle mehr schwere Unfälle mit schweren Verletzungen, mehr getöteten Menschen. Die Erfolge der höheren Sicherheitsanforderungen an die Fahrzeuge werden dadurch wieder "wett" gemacht. Man denke an die menschliche Tragödie, wie die der jungen Frau in Baden-Württemberg, die von einem verhinderten Rennfahrer in den Tod geschubst wurde. Derart gefährliche Manöver erlebe ich fast täglich, wenn sie auch zum Glück meist "gut" ausgehen.
Der Ressourcenverbrauch rund um die Fahrzeugherstellung wird unverhältnismäßig höher durch ebenfalls erhöhte Sicherheitsanforderungen an das Material.
Die ungleichmäßige Fahrweise, die durch den "Schilderwald" begünstigt wird führt zu Staus, Unfällen und einem stark erhöhten Energieverbrauch - wenn dein Fahrzeug über einen Tempomat verfügt, wirst du ggf. selbst dessen Vorteile gelegentlich nutzen und sei es um Strafzettel in Baustellen etc., zu vermeiden.
Lärm und Emissionsbelastung der Menschen steigen durch hohe Geschwindigkeiten und unregelmäßige Fahrweise exorbitant an.

Dass wir sowieso nicht ganz auf Tempolimits verzichten können, ich denke darüber sind wir uns einig. Dass diese, wo sie angeordnet sind, fast immer einen Sinn haben, scheint mir ebenfalls, zumal angesichts der Verkehrsdichte, bei Tag und bei Nacht, unbestreitbar. Es ist also mehr eine Frage danach: Wie "vernünftig" ist der fahrende Mensch? Eine Geschwindigkeitsbegrenzung wäre aus meiner Sicht eine positive Anpassung an die bestehende Verhältnisse. Es ist dem Rechnung zu tragen, ob Fahrzeuge "just for fun" genutzt werden, oder von wenigen, wie bis in die Mitte des vergangenen Jahrhunderts, oder ob diese ein Massenbeförderungsmittel sind.

Für die Städte (Tempo 30) hieße ein solches Limit zunächst einmal eine Reduzierung des Schilderwaldes. Nämlich Tempo über Tempo 30 wo nichts anderes gilt. Dies würde die Wohngebiete dramatisch entlasten. Straßen, wie die Limburger Schiede gibt es in Städten wie Köln und Frankfurt unzählige. Sie sind Gefahrenquelle besonders für Kinder und alte Menschen, sie sind wahre Ruß- und Dreckschleudern und sie sind Lärmquellen erster Güte. Solche Straßen könnten entschärft werden. Solche Straßen "seien wie Flüsse, nur schwer zu überqueren", hörte ich mal. Daran hat sich leider viel zu wenig geändert.

Ich schrieb, ich sei beruflicher Vielfahrer. Ich liebe meinen Beruf. Der einzige Wermutstropfen an diesem Beruf ist, dass der öffentliche Nahverkehr zum Teil so schlecht ausgebaut ist, dass man insbesondere einfach zu lange braucht, um von den Großstädten auf das Land zu kommen. Das zwingt mich öfters zu Fahrten, die wirklich nichts mehr mit "Fun" zu tun haben. Das liegt an einem ziemlichen Zentrismus auf die jeweilige Stadt.

Grüße
Simon

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Lieber Tobias,

noch ein Nachtrag. Versicherungsrechtlich ist es eher bedenklich über 130 zu fahren. Verursacher von Unfällen kann eine Teilschuld angerechnet werden, wovon auch nicht selten Gebrauch gemacht wird und § 1 der Straßenverkehrsordnung wird ja nun wirklich jeder/m Fahrschüler/in unmissverständlich nahe gebracht :-))

Grüße
Simon