Frage an Simon Engelhaupt von Johannes B. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Herr Engelhaupt!
Für die Zukunft Stuttgarts dürften bei Ihnen folgende Frage die wichtigsten sein:
Wie stehen Sie zu Stuttgart 21?
Falls Sie, was ich vermute, gegen Stuttgart 21 sind, warum sollte ich dann Sie wählen, statt einen Kandidaten der Grünen?
Welche bundesweiten Auswirkungen haben die möglichen Entscheidungen zu Stuttgart 21 auf den Fernverkehr der Bahn und den Wirtschaftsstandort Stuttgart?
Sehen Sie Chancen, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern und Baden Württemberg oder die Region Stuttgart zum Vorbild für die Bundesrepublik zu machen?
Welches Sondergut vertreten Sie, dass sie nicht für die Grünen antreten wollen, die sich ja gegen Stuttgart 21 aussprechen?
Es Grüßt Sie herzlich, Johannes Betz
Sehr geehrter Herr Betz,
vielen Dank für ihre Fragen.
Wie stehen Sie zu Stuttgart 21? ?Falls Sie, was ich vermute, gegen Stuttgart 21 sind, warum sollte ich dann Sie wählen, statt einen Kandidaten der Grünen?
Bei Stuttgart 21 handelt es sich um ein unheimlich komplexes Projekt, und nicht zuletzt aufgrund der unbefriedigenden Informationspolitik seitens der Projektträger nur sehr schwer endgültig einzuschätzen. Meine persönliche Einschätzung beruht daher auch darauf, welche Projektvariante auf mich in seiner Gesamtheit und seinem Kosten-Nutzen-Faktor am überzeugendsten wirkt. Alles in allem bevorzuge ich daher Kopfbahnhof 21 gegenüber Stuttgart 21.
Die Grünen haben offen bekundet, alles tun zu wollen, um Stuttgart 21 zu stoppen. In ihrem Wahlprogramm positionieren sie sich gegen den aktuellen Planungsstand, eine mögliche Unterstützung des Projekts bei Änderungen wird aber offen gelassen (Siehe auch S. 86 des Landtagswahlprogramms der Grünen). Problematisch ist dies insofern, da die Grünen öffentlich den Eindruck erwecken, als seien sie ohne wenn und aber gegen Stuttgart 21.
Zum Vergleich, in Hamburg gab es eine ähnliche Situation. Dort haben sich die Grünen umfangreich gegen das Kohlekraftwerk Moorburg positioniert. Auch damals haben sie im Wahlkampf den Eindruck erweckt, sie seien ohne wenn und aber gegen das Projekt. Nach der Wahl sind die Grünen mit der CDU eine Koalition eingegangen und haben ihre Position zum Kraftwerk fallen gelassen. Schlussendlich war es dann sogar so, dass das Kraftwerk 2008 durch die grüne Umweltsenatorin genehmigt wurde.
Anders als die Grünen haben wir daher bewusst darauf verzichtet, hier Versprechen zu machen die wir möglicherweise brechen müssen, wenn die Situation ungünstig wird. Ich setzte mich dafür ein, dass bei großen Bauprojekten grundsätzlich ein Volksentscheid durchgeführt wird und dabei alle möglichen Alternativen berücksichtigt werden. So auch bei Stuttgart 21, auch wenn das eigentlich schon vor Jahren hätte durchgeführt werden sollen. Sollte sich bei einen Volksentscheid eine Mehrheit für Stuttgart 21 finden, so werde ich das akzeptieren.
Die Piratenpartei fordert im Bezug auf Stuttgart 21 einen Baustopp, die Offenlegung aller Fakten und Risiken und darauf folgend einen Volksentscheid. Die Menschen müssen über die möglichen Projektvarianten (Stuttgart 21, Kopfbahnhof 21, etc.) sachlich und neutral informiert werden. Eine derartige Vorgehensweise wünschen wir uns bei allen öffentlichen Großprojekten.
Welche bundesweiten Auswirkungen haben die möglichen Entscheidungen zu Stuttgart 21 auf den Fernverkehr der Bahn und den Wirtschaftsstandort Stuttgart?
An dieser Frage entscheidet sich, ob Stuttgart auch langfristig einen funktionierenden Hauptbahnhof haben wird. Durch die S21-Bauarbeiten wird es sehr wahrscheinlich zu erheblichen Einschränkungen und Unannehmlichkeiten im Bahn- und Straßenverkehr im Bereich Stuttgart-Mitte kommen.
Wirtschaftlich profitiert die Baubranche zweifelsohne am Stärksten von Stuttgart 21, da es die bei weitem teurere und aufwändigere Variante ist. Langfristig muss aber im Auge behalten werden, dass die wirtschaftlich wahrscheinlich bedeutendste Komponente von Stuttgart 21 und Kopfbahnhof 21 die Neubaustrecke Wendlingen - Ulm ist.
Sehen Sie Chancen, mehr Verkehr auf die Schiene zu verlagern und Baden Württemberg oder die Region Stuttgart zum Vorbild für die Bundesrepublik zu machen?
Ja. Das hängt aber nicht an Stuttgart 21, sondern dem gesamten Ausbau der Bahnstrecken im Baden-Württemberg. Die größten Chancen sehe ich aber im Nahverkehr. Durch bessere, attraktivere und günstigere Angebote im ÖPNV kann viel Verkehr von der Straße auf die Schiene verlegt werden. Ebenfalls erforderlich ist ein zukunftsfähiges Konzept für den Güterverkehr in Baden-Württemberg, um die Schiene als Transportweg attraktiver zu machen.
Ein Ausbau der S-Bahn und der U-Bahn im Großraum Stuttgart ist dringend erforderlich. Aktuell verfügt das Netz über zahlreiche Lücken, Erweiterungen erfolgen nicht nur aus Kostengründen viel zu langsam und eine Erweiterung um wichtige Ringschlüsse ist an vielen Stellen noch überhaupt nicht absehbar. Ein gestärktes S-Bahn- und U-Bahnnetz als Rückgrat des Nahverkehrs im Großraum Stuttgart würde den Standort auch wirtschaftlich attraktiver machen und die Straßen entlasten. Zusätzliche Investitionen in den Nahverkehr werden sich hier also schon alleine durch eine Stärkung der Wirtschaft und der wirtschaftlichen Attraktivität des Standortes rentieren. Da bereits jetzt nur 57% der Kosten vom VVS selbst getragen werden, würden weitere Investitionen die Kassen des Landes kaum zusätzlich belasten.
Es gibt also noch viel zu tun, bevor die Region Stuttgart sich hier ernsthaft als Vorbild für die Bundesrepublik sehen kann.
Welches Sondergut vertreten Sie, dass sie nicht für die Grünen antreten wollen, die sich ja gegen Stuttgart 21 aussprechen?
Ich würde nicht für diese Partei antreten wollen, weil ich ehrlichere Politik machen will. Ich halte alle Parteien (und das schließt die Grünen mit ein) für überheblich, wenn sie behaupten, sie wüssten was am besten für das Volk ist. Ich will ihnen alle Informationen die dem Staat zu Verfügung stehen zugänglich machen, damit sie sich selbst eine Meinung dazu bilden können. Ich will nicht über Sie hinweg entscheiden, sondern ihnen bei möglichst vielen Fragen die Entscheidungsgewalt überlassen.
Mit freundlichen Grüßen,
Simon Engelhaupt