Frage an Silvia Schmidt von Tim G. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schmidt,
Sie sind die einzige ostdeutsche SPD-Abgeordnete, die dem Richtlinienumsetzungsgesetz mit seinen menschenrechts- und verfassungswidrigen Ehegattennachzugsregelungen nicht zugestimmt haben. Haben Ihre Kollegen vergessen, wie es in der DDR war? Wie Familien getrennt wurden zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung"?
Sie haben damit jedenfalls mehr Weitsicht bewiesen, als die Parlamentsmehrheit, denn das Gesetz ist nach nicht einmal einem Jahr Makulatur, weil es der EuGH für nicht konform mit dem EU-Recht und der Europäischen Menschenrechtskonvention erklärt hat. Den Ostdeutschen Parlamentariern müsste doch auch die Schlussakte von Helsinki im Zusammenhang mit der dort festgelegten Freizügigkeit für Familien etwas sagen. Wie konnten Wolfgang Tierse, Markus Meckel und andere denn so etwas zustimmen? Haben Sie eine Erklärung?
Sehr geehrter Herr Gerber,
vielen Dank für Ihre Anfrage, zu der ich gern Stellung nehme. Ich habe mich gegen eine Zustimmung zu dem Gesetz zum Aufenthalts- und Asylrecht entschieden, weil ich in der Ehegattennachzugsregelung eine Diskriminierung gerade gegenüber jungen Frauen sehe. Für mich sind alle Menschen gleich viel wert und deshalb kann ich eine gesetzliche Regelung, welche bestimmte Menschen aufgrund eines Merkmals wie Alter oder Sprache so massiv ausgrenzt, nicht mit meinem Gewissen vereinbaren.
Welche Gründe bei meinen Kollegen für eine Zustimmung ausschlaggebend waren, vermag ich nicht zu beurteilen und ich möchte deren Entscheidung auch qualitativ nicht beurteilen. Jeder Kollege im Deutschen Bundestag ist seinem Gewissen unterworfen, er muss wissen, wann er einen von seinen Fachkollegen ausverhandelten Kompromiss akzeptieren kann und wann nicht. Ich konnte es bei diesem Gesetz aus den genannten Gründen nicht und habe mich auch sehr gefreut, dass dies von Ihnen respektiert wird.
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Silvia Schmidt, MdB