Frage an Silvia Schmidt von Marco B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Schmidt,
Danke für ihre Antwort vom 9.6.
ich möchte darauf hinweisen, dass jeder Paragraph im SGB IX nichtig ist, solange sich ein Leistungsträger (in unserem Fall das Sozialamt) auf den §7 SGB IX berufen kann:
"Die Vorschriften dieses BUCHES gelten für die Leistungen zur Teilhabe, soweit sich aus den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen nichts Abweichendes ergibt...."
Und daher nützt auch keinem behinderten Mensch der §55 etwas, da für jeden Behinderten das jeweilige Landespflegegeldgesetz eine abweichende Regelung bedeutet.
Sind die jeweiligen Rehabilitationsträger verpflichtet eine Kalkulation vorzulegen, in welcher zu ersehen ist, welche Kosten durch das geltende Leistungsgesetz abgedeckt werden?
Denn ich sehe meine Möglichkeit Unterstützung zu bekommen nur darin, dem Senat von Berlin nachzuweisen, dass die Dolmetscherkosten für die Kindeserziehung nicht im "Gehörlosengeld" enthalten sind, und somit das LPflGG auch keine Abweichende Regelung im Sinne von §7 SGB IX.
Mit freundlichem Gruß,
Brüggemann
Sehr geehrter Herr Brüggemann,
vielen Dank für Ihre erneute Anfrage.
Um zu verstehen, warum das SGB IX in besonderen Fällen vermeintlich nicht den Ansprüchen von Menschen mit Behinderung zu genügen scheint, muss man beachten, dass das SGB IX selbst kein Leistungsgesetz ist. Das heißt, es verpflichtet gesetzessystematisch keinen Leistungserbringer der Rehabilitation, eine bestimmte Leistung in einer bestimmten Höhe im Rahmen eines bestimmten Anspruchstatbestandes zu erbringen. Das SGB IX gibt lediglich den Rahmen der Leistungen zur Rehabilitaiton und Teilhabe vor und bildet dann in Verbindung mit den Leistungsgesetzen den Leistungskomplex ab, der sich z.B. in einem Persönlichen Budget oder in auch in einer Sachleistung darstellt. Daher ist es nicht korrekt, zu sagen, dass das SGB IX für die Betroffenen nichtig ist. Es bildet die Grundlage für die Gewährung von Leistungen zur Teilhabe, nur begründet sich aus dem SGB IX selbst eben kein konkreter Leistungsanspruch in einer bestimmten Höhe.
Es gibt nun im Falle des Gehörlosengeldes eine bestimmte Leistung, die durch den Landesgesetzgeber fixiert worden ist. Sie erhalten einen Bescheid, der Ihnen diese Leistung nach Ihrem berechtigten Anspruch gewährt. Sie können gegen das Gesetz selbst nur schwer vorgehen, weil der Bescheid wahrscheinlich gesetzmäßig ist, sie aber die Rechtmäßigkeit der Norm selbst angreifen könnten. Sie könnten in diesem Falle eine Individualverfassungsbeschwerde in Betracht ziehen. Zu Ihren rechtlichen Möglichkeiten sollten Sie sich durch einen zugelassenen Rechtsberater (Anwalt, Gehörlosenverband etc.) informieren lassen, da wir diese Aufgabe nicht übernehmen dürfen. Das Berliner Landesverfassungsgericht müsste evtl. klären, ob das Landes-Gehörlosengeld mit den höherrangigen Regelungen der Verfassung vereinbar ist.
Wie gesagt setzen wir uns im Bundestag für eine ergänzende Regelung ein, die die Rehabilitationsträger verpflichtet, auch Hilfen zur Erziehung in die Leistungen einzubeziehen und so Eltern mit Behinderung konkret zu unterstützen. Ich versichere Ihnen, dass ich mich hier weiter für Sie und Ihre Frau einsetzen werde.
Falls Sie zu diesem oder anderen Themen Fragen haben sollten, bitte ich Sie, mich unter silvia.schmidt@bundestag.de direkt zu kontaktieren. Die Kommunikation über dieses Portal halte ich gerade für Einzelfälle nicht für sachgerecht.
Mit freundlichen Grüßen
Silvia Schmidt, MdB