Frage an Silvia Schmidt von Alina M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Schmidt,
mit großer Sorge verfolge ich das derzeitige politische Geschehen bzgl. des geplanten Internetsperrungsgesetz.
Ich freue mich, dass die SPD nach der öffentlichen Anhörung schärfere Bedingungen aufgestellt hat, die bei der Überarbeitung des Entwurfes beachtet werden sollen.
Allgemein denke ich, dass die SPD hier noch viel mehr bewirken könnte!
Auf der anderen Seite entmutigen mich Äußerungen von Dr. Dieter Wiefelspütz, der auf die Frage.. welche Rolle die Onlinepetition, die derzeit rund 102.000 Unterzeichner hat, spielt. Darauf hat Herr Wiefelspütz geantwortet: "Das Gesetzgebungsverfahren wird dadurch nicht beeinträchtigt." .. was denken Sie persönlich über so eine Äußerung? Worin besteht der Sinn und Zweck von Petitionen, wenn Politiker ihnen selbst KEINE MACHT einräumen. Was hat das noch mit Demokratie zu tun?
Ich danke Ihnen für die Beantwortung dieser Frage.
Müller.
Sehr geehrte Frau Müller,
vielen Dank für Ihre Frage, die ich ihnen sehr gern beantworte.
Ich weiß leider nicht, in welchem Zusammenhang mein Kollege Wiefelspütz diese Äußerung getätigt hat und möchte das daher auch nicht inhaltlich kommentieren. Ich kann mir nicht vorstellen, dass mein Kollege damit generell die Idee der Parlamentarischen Petition infrage stellt. Er ist zwar als Vertreter einer konsequenten Sicherheitspolitik bekannt, setzt sich aber vorbildlich für die Wahrung der Bürgerrechte in diesem Lande ein.
Zunächst würden viele Probleme von Bürgern mit Gesetzen, Gesetzesausführungen und Behördenentscheidungen nicht zu uns Politikern durchdringen, wenn es keine Petitionen gäbe. Daher ist ihr Informationswert für den Anwalt der Bürger - den Abgeordneten - sehr hoch. Das weiß ich aus eigener Erfahrung und habe aufgrund von Petitionen, die ich in ausgewählten Fällen auch unterstütze, schon vieles bewegen können.
Zudem sind Petitionen natürlich nur eine Möglichkeit im politischen Willensbildungsprozess und nicht mit Volksbegehren oder gar Volksentscheiden gleichzusetzen. Diese Unterscheidung ist wichtig! Nicht alles, was einzelne Petenten vorbringen, muss von uns Abgeordneten auch 1 zu 1 umgesetzt werden. Aber die Abgeordneten tun gut daran, die Petitionen mit in ihre Entscheidung einzubeziehen. Das tue ich persönlich und daher sehe ich den Sinn von Petitionen auch nicht infrage gestellt.
Der Bürger hat in der parlamentarischen Demokratie, die auf dem Prinzip der Volksvertretung und Repräsentation basiert, Einfluss aber keine Entscheidungskompetenz zu laufenden Gesetzgebungsverfahren im Parlament. Ich denke, nach 60 Jahren, die sich diese Art der Politik in Deutschland bewährt hat, müssen wir das akzeptieren. Demokratie bemisst sich ja nicht nur durch den Grad der direkten Einflussnahme auf die Gesetze, sondern durch die legitime Einflussnahme des Volkes insgesamt auf diese Gesetze. Petitionen sind neben Wahlen, Parteiarbeit oder dem Lobbying der Interessengruppen eine Art der indirekten Einflussnahme. Auch letztere bekommen meist nicht was sie wollen und mancher Abgeordnete stimmt auch schon mal gegen die Parteilinie. Daher wäre es falsch, den eher geringen direkten Einflusswert von Petitionen auf Gesetze als Maß der demokratischen Einflussmöglichkeit insgesamt heranzuziehen. Ich kann Sie daher nur motivieren - beteiligen Sie sich auf allen politischen Ebenen und halten sich nicht nur an Petitionen fest. Dann ist in der Politik vieles möglich!
Mit freundlichen Grüßen
Ihre Silvia Schmidt, MdB