Frage an Sigrid Beer von Alex H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Beer!
Ich stelle Ihnen diese Frage aus aktuellem Anlass. Infolge der kürzlich beschlossenen Schulschließung zur Eindämmung der Corona-Infektionen, wurde natürlich auch meine Schule geschlossen. Somit wurde mein Jahrgang, der in einigen Wochen die Abiturprüfungen schreiben soll, vorzeitig entlassen; mit vielen offenen Fragen und kaum Möglichkeiten zur zielführenden und hin- bzw. ausreichenden Kommunikation zu Mitschülern, aber vor allem zu Lehrkräften.
Hinzu kommt, dass, aufgrund der rapide steigenden Corona-Fälle in Deutschland und Europa und der zunehmenden Verschärfung von Maßnahmen, eine Ungewissheit herrscht, die vielen von uns tief zu schaffen macht. Es sind sowohl gesundheitliche als auch psychologische und gesellschaftliche Faktoren, die eine standartgemäße Durchführung des Abiturs 2020 unverantwortlich und moralisch nicht tragfähig machen.
Ich habe mit vielen Mitschülern gesprochen und ihre Ängste, Sorgen und Leiden sind so vielfältig wie individuell. Allesamt haben sie Berechtigung in diesen seltsamen Zeiten. Nicht umsonst wird die Schwere der Maßnahmen - wie oben erwähnt - ständig nachjustiert.
So muss es auch endlich mit den Abiturprüfungen geschehen. Lösungsansätze, wie das Durchschnittsabitur gibt es bereits und sie liegen mehr als nahe. Denn inwieweit kann die Regierung bitte diese zusätzliche Last des Abiturs auf hunderttausende Schüler bundesweit weiterhin begründen und uns zumuten?
Ich bedanke mich im Voraus für eine Ihre Antwort.
Sehr geehrter Herr Höller,
Vielen Dank für Ihre E-Mail.
Es wäre wünschenswert, die Abiturprüfungen hätten wie sonst auch durchgeführt werden können. Allerdings ist das Zeitfenster selbst für eine Verschiebung begrenzt.
Heute kann niemand mit Sicherheit sagen, dass die Pläne so umgesetzt werden können. Vor allem, wenn die Infektionsraten nicht sprunghaft wieder ansteigen sollen, muss man sich ehrlich machen.
Deshalb ist es dringend geboten, auch weitere Vorkehrungen zu treffen, bis hin zu notwendigen schulgesetzlichen Änderungen. Alle Beteiligten in den Schulen müssen jetzt die Klarheit und Sicherheit haben,
dass ein Abschluss in diesem Schuljahr gewährleistet ist und das Ministerium auf alle Szenarien vorbereitet ist.
Für den Plan B ist zu gewährleisten:
Die noch ausstehenden Vorklausuren zum Abitur müssen unter fairen Bedingungen nachgeholt werden können. Das ist sowieso an einer nicht unerheblichen Zahl von Schulen notwendig.
Auf der Grundlage dieser Klausuren und den Leistungen in der Qualifikationsphase, die sowieso beim Abitur überwiegend zählen, ließe sich eine Abiturnote abschließend bilden.
Ergänzend sollte eine Chancenregelung eingeführt werden: Wer auf der Kippe steht oder sich bzgl. eines NC verbessern möchte, kann eine Zusatzprüfung ablegen.
Für diese Variante muss das Schulgesetz geändert werden. Wir sind dazu bereit, dieses in einem beschleunigten Verfahren sicherzustellen.
Das Ministerium muss vor Ablauf der Osterferien zu einer endgültigen Entscheidung kommen, welche Variante verlässlich und infektionsschutzsicher durchgeführt werden kann.
Unverzichtbar ist die bundesweite Anerkennung aller Abiturabschlüsse der Bundesländer untereinander - auch bei unterschiedlichen Wegen zum Abschluss. Das ist durch die KMK-Vereinbarung gegeben.
Auch wenn die Debatte in der Öffentlichkeit vor allem um die Abiturprüfungen geführt werden, müssen jetzt auch für den mittleren Bildungsabschluss in gleichem Sinne sorgfältige Vorbereitungen getroffen werden,
wie auch für Abschlüsse in der beruflichen Bildung im Zusammenwirken mit den Kammern.
Bei allen Schritten ist zu berücksichtigen, dass zahlreiche Schülerinnen und Schüler sich um ihre Familien sorgen oder auch um Geschwister kümmern. Soziale Nöte belasten die Schülerinnen und Schüler.
Sie haben ganz unterschiedliche Voraussetzungen, zuhause zu lernen. Es muss deshalb unbedingt eine gezielte Vorbereitung auf Prüfungssituationen gewährleistet sein.
Beste Grüße
Sigrid Beer