Frage an Siegfried Schneider von Franziska R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Schneider,
ich hätte eine Frage zu den verschiedenen Berechnungssytemen bei der Stimmenauszählung.
Wissen Sie wieso man bei der Auszählung für den Bezirkstag das d´Hondt`sche Verfahren verwendet und beim Landtag das Hare-Niemeyer-Verfahren ? Welches dieser beiden Verfahren ist nach Ihrer Meinung nach "gerechter" ?
Bei der Bundetstagswahl verwendet man auch das Hare-Niemeyer-Verfahren. Jedoch möchte man bei der übernächsten Bundestagswahl auf das Saitre-Laguë -Verfahren umsteigen. Welche Gründe gibt es denn für diese Umstellung und weshalb stell man dann nicht auch in Bayern um? Es wäre doch sinnvoller ein einheitliches System zu verwenden und nicht lauter verschiedene.
Da mich eben genau dieses Thema interessiert habe ich es auch als mein Facharbeitsthema gewählt.
Vielleicht können Sie mir auch Quellen für die benötigten Informationen nennen bzw. meine Anfrage an entsprechend zuständige Stellen weiterleiten.
Ich bedanke mich schon im Voraus für Ihre Antwort
Mit freundlichen Grüßen
Franziska Rasch
Sehr geehrte Frau Rasch,
im Rahmen der Verhältniswahl gibt es mehrere verfassungsrechtlich zulässige Möglichkeiten, die Sitze zu berechnen. Jedes System hat Vor- und Nachteile und besondere Effekte je nach dem jeweiligen Wahlsystem und der Größe des zu wählenden Gremiums; ein für alle Wahlen "bestes" oder "gerechtestes" System gibt es daher nicht. Es handelt sich letztlich auch um politische Entscheidungen. Näheres zu den einzelnen Verfahren erfahren Sie auch unter http://www.wahlrecht.de.
Außer der bei den bayerischen Landtagswahlen von 1950 bis 1990 und bei Bundestagswahlen bis 1983 angewandten d´Hondtschen Sitzeberechnung wird zumeist das Proporzverfahren nach Niemeyer angewandt, z. B. bei den Bundestagswahlen und Europawahlen bis einschl. 2005 sowie bei den bayerischen Landtagswahlen ab 1994.
Dieses Verfahren gilt allgemein als leicht verständlich und transparent und wird heute bei Wahlen auf Länderebene überwiegend angewandt.
Auf Grund der Entscheidung des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs (VerfGH)vom 24. April 1992 hat der Bayerische Landtag beschlossen (Gesetz vom 19. Februar 1993), künftig das d´Hondtsche Sitzeverteilungsverfahren bei den Landtagswahlen in Bayern nicht mehr zu verwenden. Nach dem System der Landtagswahl wird diese in den sieben Wahlkreisen, den Regierungsbezirken, getrennt durchgeführt und das Berechnungsverfahren entsprechend sieben mal angewendet, um das Gesamtergebnis für Bayern zu ermitteln. Das d´Hondtsche Sitzeverteilungsverfahren begünstigt tendenziell die größeren Parteien. Dieser Effekt trat bei der Landtagswahl (Wahl in sieben Wahlkreisen) siebenfach ein, was nach der Entscheidung des VerfGH nicht mit der Verfassung und den darin enthaltenen Grundsatz der Wahlgleichheit vereinbar war. Dieser verfassungswidrige Effekt wird beim seither angewendeten Verfahren nach Niemeyer vermieden. Das d´Hondtsche Sitzeverteilungsverfahren als solches ist aber nach der Verfassungsrechtssprechung ein mögliches und dem Grundsatz der Wahlgleichheit entsprechendes Berechnungsverfahren.
Dagegen wurde für die Bezirkswahlen von einer entsprechenden Anpassung seinerzeit abgesehen, weil hier durch die isolierte Anwendung ausschließlich im jeweiligen Bezirk kein verfassungsrechtlich bedenklicher Verzerrungseffekt auftreten kann. Bei Kommunalwahlen (die Bezirkswahl ist auch eine Kommunalwahl) wird entsprechend den Wahlgesetzen einheitlich das d´Hondtsche Sitzberechnungsverfahren angewendet.
Ab der Bundestags- und Europawahl 2009 wird das bisher dort angewandte
Verfahren nach Niemeyer durch das neue Divisorverfahren mit Standardrundung
Sainte-Lague/Schepers" ersetzt.
Über die Gründe des Bundesgesetzgebers, das bisher bei Bundestags- und Europawahlen angewandte Verfahren nach Niemeyer durch das neue "Divisorverfahren mit Standardrundung Sainte-Lague/Schepers" für die Wahlen ab 2009 zu ersetzen lässt sich folgendes sagen: Ziel der Gesetzesänderung ist insbesondere die Vermeidung von Ungereimtheiten, die in Einzelfällen unter besonderen Bedingungen auftreten können. Allerdings hat das neue Berechnungsverfahren in der Praxis nur sehr geringe Bedeutung. Eine Übernahme in das bayerische Landeswahlrecht ist deshalb auch nicht beabsichtigt. Bisher gab es in Bayern keine entsprechenden "Ungereimtheiten" wie vereinzelt bei Bundestagswahlen. Außerdem ist das neue Verfahren weniger transparent. Hierzu finden Sie genaue Informationen mit Beispielberechnungen unter: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/074/1607461.pdf (Begründungen zu Nr. 2 und 3.)
Weitere Informationen finden Sie auch unter http://www.statistik.bayern.de/wahlen/landtagswahlen/ --> Allgemeine Informationen, Landtagswahl von A bis Z.
Mit freundlichen Grüßen
gez. Siegfried Schneider