Frage an Siegfried Kauder von Michael B. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Kauder,
im Gesetzesentwurf zum Zugewinnausgleich, DRS 16/10798, war für §1378, Abs. 2, Satz 1, BGB noch folgendes vorgeschlagen: "Die Höhe der Ausgleichsforderung wird durch den hälftigen Wert des Vermögens des ausgleichspflich- tigen Ehegatten begrenzt, das nach Abzug der Verbind- lichkeiten bei Beendigung des Güterstandes vorhanden ist.".
Der Rechtsausschuss hat allerdings Satz 1 in der alten Form belassen (DRS, 16/13027) "Die Höhe der Ausgleichsforderung wird durch den Wert des Vermögens begrenzt, das nach Abzug der Verbindlichkeiten bei Beendigung des Güterstands vorhanden ist.".
Mit anderen Worten die "hälftige" Verteilung des Endvermögens ist weg.
Das hat nun in der Praxis folgenden Effekt: Mann hat vor Heirat Verbindlichkeiten in Höhe von 200000 EUR. Während der Ehe tilgt er diese Schulden und macht ein Gewinn von 200000 EUR. Die Frau hatte vor Heirat kein Vermögen, während der Ehe hat sie auch kein Vermögen aufgebaut.
Bei Scheidung wird nun nach neuer Rechtslage ein Zugewinn in Höhe von 400000 EUR berechnet.
Die Hälfte dieses Zugewinns, steht jedem Partner zu. Wenn ich die Kommentare der Rechtsanwälte richtig verstehe, so muss der Ehemann der Ehefrau bei Scheidung die 200000 EUR übergeben und er bleibt mit gar nichts.
Inwieweit kann dieses Ergebnis Ihrer Meinung nach, das Etikett "Gerechtigkeit" tragen, das in der Drucksache 08/635 noch hochgehalten wurde?
Inwieweit meinen Sie, dass eine derartige Regelung jemals zum Vertrauen der Bevölkerung in der Institution Ehe beitragen könnte?
Mit freundlichen Grüßen
Michael Baleanu
PS: Die Basisinformationen über den Vorgang: http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/107/1610798.pdf
http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/16/130/1613027.pdf
Sehr geehrter Herr Baleanu,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage, in der Sie Kritik an der Reform des Güterrechts äußern, die im September 2009 in Kraft getreten ist. Gerne gebe ich Ihnen einige Informationen und Erläuterungen zum Zugewinnausgleich.
Mit der Eheschließung tritt die Zugewinngemeinschaft als gesetzlicher Güterstand ein, wenn die Ehepartner nicht durch einen Ehevertrag etwas anderes vereinbart haben. Zugewinngemeinschaft bedeutet Gütertrennung während des Bestehens des Güterstandes mit einem Ausgleich des Zugewinns nach Beendigung des Güterstandes. Der Sinn des Zugewinnausgleichs besteht darin, dem ausgleichsberechtigten Ehegatten seinen Anteil an den in der Ehe erarbeiteten wirtschaftlichen Werten zukommen zu lassen. Aus der gleichberechtigten Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft der Ehegatten leitet sich der Gedanke ab, dass beide Ehegatten während der Ehe ihre Fähigkeiten und Möglichkeiten einsetzen und damit das während der Ehe erwirtschaftete Vermögen grundsätzlich gemeinsam erarbeiten. Über den Zugewinnausgleich wird der Ehepartner, der während der Ehe weniger Vermögen als der andere erworben hat, am Vermögenszuwachs des anderen Ehegatten beteiligt. Dabei gilt nach § 1378 Abs. 1 BGB, dass der Ehepartner, der den höheren Vermögenszuwachs zum Zeitpunkt des Stichtags zu verzeichnen hat, dem anderen Ehepartner die Hälfte der Differenz als Zugewinnausgleich zahlen muss. Die hälftige Teilung des Zugewinns basiert auf der Annahme, dass beide Ehepartner einen gleichen Beitrag zu dem in der Ehe erwirtschafteten Zugewinn beigetragen haben.
Das Gesetz zur Änderung des Zugewinnausgleichs- und Vormundschaftsrechts wurde im Juni 2009 von der großen Koalition verabschiedet. Mit dem Gesetz wurden durch geringfügige Anpassungen des bis dahin geltenden Rechts Defizite bei der Berechnung des Zugewinnausgleichs behoben und der Schutz des ausgleichsberechtigten Ehegatten vor unredlichen Vermögensverschiebungen des anderen Ehegatten verbessert. Die Gesetzesänderung war notwendig, weil nach altem Recht unter anderem unzureichender Schutz vor Vermögensmanipulationen wegen des Auseinanderfallens der Stichtage bestand (§ 1378 Abs. 2 und § 1384 BGB) und negatives Anfangsvermögen nicht berücksichtigt wurde (§ 1374 BGB). Seit Inkrafttreten der Gesetzesänderung werden sowohl der Zugewinn als auch die Ausgleichsforderung nur zu einem Berechnungszeitpunkt berechnet, nämlich am Tag der förmlichen Zustellung des Scheidungsantrags (Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages, § 1384 BGB). Durch diese Änderung werden ausgleichsberechtigte Ehepartner geschützt, weil der Ausgleichsschuldner nicht mehr in dem Zeitraum zwischen den zwei Stichtagen Vermögen mindern kann, um die Berechnung der Ausgleichsforderung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Mit der Gesetzesänderung wurde auch die Nichtberücksichtigung von Verbindlichkeiten für die Berechnung des Zugewinns aufgegeben, weil der in der Ehe erzielte wirtschaftliche Zugewinn bis dahin rechtlich nicht immer treffend abgebildet worden ist.
Nach § 1378 Abs. 2 BGB ist die Höhe der Ausgleichsforderung auf das Endvermögen, das bei Beendigung des Güterstandes vorhanden ist, begrenzt. Es ist richtig, dass dadurch der ausgleichspflichtige Ehepartner in Fällen, in denen er bei Beginn des Güterstandes vorhandene Schulden während der Ehe in erheblichem Umfang getilgt hat, notfalls sein gesamtes nach der Schuldentilgung erworbenes Vermögen an den ausgleichsberechtigten Ehepartner abgeben muss. In Bezug auf Ihr Rechnungsbeispiel stehen der Frau 200.000 € zu, weil angenommen wird, dass sie einen gleichen Beitrag zum wirtschaftlichen Zugewinn des Mannes geleistet hat. Wenn der ausgleichsverpflichtete Ehegatte über das Geld, das dem anderen Ehepartner nach der Scheidung zusteht, verfügt, dann muss er dieses auch an den Ausgleichsberechtigten zahlen. Das Gesetz stellt gleichzeitig jedoch sicher, dass ausgleichspflichtige Ehegatten sich zur Erfüllung der Ausgleichsforderung nicht verschulden müssen. Würde in Ihrem Beispiel der Zugewinn des Mannes nur 200.000 € betragen und hätte er am Ende des Güterstands ein Endvermögen von 0 €, so müsste er die 100.000 €, die der Frau als Zugewinnausgleich zustünden, nicht bezahlen. Eine Ausnahme bildet die illoyale Vermögensminderung nach § 1375 Abs. 2 BGB. In Fällen, in denen der ausgleichspflichtige Ehegatte vor dem Stichtag in böswilliger Absicht gem. § 1375 Abs. 2 BGB Vermögen vermindert hat, wird der Betrag der illoyalen Vermögensminderung in voller Höhe dem Endvermögen hinzugerechnet. Die Ausgleichsforderung kann folglich nur negativ sein, wenn der Ausgleichsschuldner sein Vermögen in den Fällen des § 1375 Abs. 2 BGB illoyal verwendet hat. Der Grundsatz der hälftigen Tilgung des Zugewinns wird durch diese Regelung nicht angetastet.
Mit freundlichen Grüßen