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Sevim Dağdelen
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Frage von Birgitt U. •

Frage an Sevim Dağdelen von Birgitt U. bezüglich Soziale Sicherung

1,-- €-Jobs

Ich habe zum 1.9.07 kein ALG II bekommen, obwohl der neue Antrag am 17.7. und am 18.7. in den Hausbriefkasten ARGE eingeworfen worden war. Erst am 7.9. Freitags bekam ich 100,-- € vom Beschwerdemanagement der ARGE. Ich habe alles an meinen Arbeitgeber im 1,-- € Job (bin als Sozialarbeiterin in der Gemeinwesenarbeit in Rath bei einer Stiftung tätig) gemailt. Mehrere emails. Gestern bekam ich von der Sozialberatungsfrau der Stiftung (sie beschäftigen 300,-- € 1,-- €-Jobber) einen Drohbrief: ich hätte unentschuldigt gefehlt und man droht mir mit Abbruch der Maßnahme, die seit Oktober 2006 läuft, ich hätte dann erhebliche Nachteile durch die ARGE..... Ist dieses Verhalten in 1,-- €-Maßnahmen noch gerechtfertigt? Ich habe Kosten über geplatzte Daueraufträge, konnte in der Woche auch kein 1,-- € Geld verdienen und bekomme von dem Monats-Ticket, daß der Arbeitgeber zahlt, Geld abgezogen, ich habe nur finanzielle Verluste und jetzt noch die Bedrohung nach 11 Monaten 1,-- €-Job. Wieviel Demütigung muß ein 1,-- € Jobber noch ertragen? Auf welcher Basis?

Mit solidarischen Grüßen
Birgitt U.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau Unger,

vielen Dank für Ihre Frage an mich, die ich ihnen gerne beantworte.

Vorweg möchte ich anmerken, dass ich keine Rechtsberatung durchführen darf. Zum Glück gibt es überall vor Ort unabhängige Sozialberatungsstellen, die sich auf die Beratung von Hartz IV EmpfängerInnen spezialisiert haben und sich auch mit den Problemen von 1-€-Jobs befassen.

Ein bundesweites Verzeichnis dieser Beratungsstellen finden Sie im Internet unter www.tacheles-sozialhilfe.de. In Ihrem Wohnort Düsseldorf können Sie sich zum Beispiel an die unabhängige Beratungsstelle im ArbeitslosenZentrum, Bolkerstr. 14/16, 40213 Düsseldorf wenden, Tel: 0211/828 949-0, email: azd@zwd.de . Vereinbaren Sie dort am besten einen Termin und bringen Sie unbedingt alle Bescheide sowie sonstigen Schriftverkehr in dieser Angelegenheit mit. Sie können sich für weitere Auskünfte auch gerne an mein Wahlkreisbüro in Bochum wenden. Oft hilft es leider nur, mit rechtlichen Schritten gegen die Ungerechtigkeiten der ARGE vorzugehen.

In Ihrem Fall scheinen mir einige Versäumnisse seitens der ARGE vorzuliegen. Ein fehlender bzw. verlorengegangener Folgeantrag auf Alg II stellt keinen Grund für eine sofortige Leistungseinstellung dar. Vorher müsste in jedem Fall überprüft werden, ob noch eine Hilfebedürftigkeit vorliegt.

Leider ist die Rechtslage so, dass ein Abbruch der 1-€-Maßnahme zusätzlich eine Sanktionierung (Kürzung der Leistung) nach sich zieht. Vorher hat aber unbedingt eine Anhörung der Betroffenen zu erfolgen, um zu klären, ob vielleicht ein wichtiger Grund für das Fernbleiben vorlag.

Generell halte ich die gesamte Hartz IV Gesetzgebung für unsozial und ungerecht. Sie führt viel zu oft und wie in Ihrem Fall dazu, dass diejenigen, die von Arbeitslosigkeit betroffen sind, auch noch schikaniert werden. In der Praxis können die ARGEN viel zu schnell Sanktionen verhängen und die Betroffenen stehen ohne Geld da. Sie sind da leider kein Einzelfall.

DIE LINKE wendet sich seit geraumer Zeit gegen die sogenannten 1-€-Jobs. Sie vernichten reguläre Arbeitsplätze und helfen den Betroffenen in der Regel nicht. Wir fordern stattdessen öffentliche Beschäftigungsgesellschaften mit regulären sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen mit einer Dauer von mindestens 12 Monaten. Dann hätten die Betroffenen wenigstens nach Ablauf der Maßnahme Anspruch auf Alg I und müssten nicht die Demütigungen der ARGE – wie von Ihnen geschildert – ertragen. Denn das ist in der Praxis leider viel zu oft der Fall, wie ich aus vielen Gesprächen mit Betroffenen erfahren habe.

Mit freundlichen Grüßen

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